6
So ist eö wirklich in manchen Ländern. Der Isländer hält keine
zahmen Gänse und Enten, weil er genug wilde töden oder ihrer Eier
berauben kann. Aber bei uns würden solche wilden Vögel balv aus¬
gerottet sein. Kaum die Reichsten würden Eier kaufen können, wenn
dw Hühner nicht in Höfen und Ställen unterhalten würden, sondern
frei herumliefen.
Auch würde weder das Fleisch noch das Haar der wilden Thiere
so, brauchbar sein,, als das der zahmen. Der Jäger schießt das alte
wie das junge Wild, das magere wie das fette, wenn er eö gerade
trifft. Der Metzger hingegen kann das beste Vieh zum Schlachten
auswählen. Die Wolle der wilden Thiere, welche dem Schaafe ähn¬
lich sind, ist meistens so rauh und straff, daß sie fast gar nicht ge¬
braucht werden kann. .Feine Wolle gedeiht nur unter der sorgfältigsten
Pflege der Menschen. Die Jagd, auch die reichlichste, kann also ei¬
gentlich nicht ersetzen, Was uns die zahmen Thiere leisten.
Viele Hausthiere nützen uns aber schon in ihrem Leben, ent¬
weder durch Darbietung täglicher Nahrung, wie alles..Milch-gebende
Vieh, wie auch das Eier-legende Geflügel, oder durch Übernahme von
Arbeiten an unserer statt. Es gibt Gegenden, wo die Menschen fast
von nichts Anderem leben als von Milch und Milchspeisen. In den
hohen Gebirgen z. B. der Schweiz würde kaum die Hälfte der jetzt
vorhandenen Menschen ihren Unterhalt finden, wenn sie nicht Milch-
nahrung hätten. Denn Brod gibt eö dort nicht, wo man keinen
Pflug gebrauchen kann. Und so würden wieder manche kalten Inseln
in der Nordsee nicht bevölkert sein können, wenn die Einwohner nicht
durch die Milch ihres Rindviehs eine ständige Versorgung fänden.
Auch die Bibel erzählt uns von den Hirten der uralten Zeiten, welche
keine anderen Reichthümer kannten, als ihre Heerden.
Noch weniger könnten die Lappländer in ihrem armen, kalten
Lande eristiren ohne das Nennthier, das ihnen noch weit mehr leistet
als uns die Kuh, und das sich mit geringem Moose als Futter be¬
gnügt, welches eö obendrein sich selbst unter dem Schnee herauö-
fcharrt. Wenn es wahr ist, daß das Rennthier vor 2000 Jahren
auch in Deutschland gelebt haben soll, so muß cs damals noch sehr
unfreundlich in unserem Vaterlande gewesen sein, und wir haben eö
jetzt viel bester, als unsere Vorfahren. Beide aber, das Rind und
das Rennthier dienen auch als Zugvieh, helfen also dem Menschen
an seiner Arbeit und zum Fortkommen. Freilich nimmt bei uns das
Pferd unter den Thieren, die den Menschen tragen oder sein Fuhr¬
werk ziehen, den ersten Platz ein, allein nicht überall sind Pferde zu
gebrauchen. In den Gebirgsgegenden zieht man der Sicherheit wegen
die Esel und Maulthiere vor. In den heißen Sandebenen kommt
nur das Kameel fort. Doch reitet man in Afrika auch auf Ochsen
und in Asien auf Elephanten. Und in den südamerikanischen Gebir¬
gen ist eö wieder ein anderes Thier, das dem Menschen die Lasten
tragen muß, das Lama.
Das Wichtigste bleibt indessen doch die Hülfe, welche die Thiere
dem Menschen bei dem Ackerbau leisten. Wie traurig stünde es um
die Menschen, wenn sie den Pflug selbst ziehen müßten! Die schwere
Arbeit würde sie selbst zu Thieren erniedrigen. Darum haben auch