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stadt von Frankreich, Paris, und eben so viele und mehr in England 
ihr Unterkommen gefunden haben? Da werden alle Handwerke und 
Künste von Deutschen getrieben, und so wie vor einigen Jahren der 
beste Bäcker in Paris ein geborner Deutscher war, so war der geschick¬ 
teste Buchbinder in London ein Landsmann von uns. Der berühmte 
Bilderhändler Ackermann in London war ein Sachse von Geburt, der 
Astronom Herrschet, dessen Namen man in der ganzen Welt kennt, war 
aus Hannover nach England gezogen. Und oft ehren die Ausländer 
unsere talentvollen Männer besser als die Landsleute zu Hause. 
Jedoch darf man nicht glauben, daß es allen in die Fremde wan¬ 
dernden Deutschen so gut gelinge. Gar viele, die ihren Lebenöplan 
nicht recht überlegt haben, oder die nöthige Geschicklichkeit nicht besitzen, 
darunter auch mancher Tüchtige, dem das Glück nicht wohl will, ver¬ 
kommen im Elende. Am traurigsten ist es, wenn das Gewerbe, worauf 
Einer reis't, von Anfang Nichts taugt. So ist es mit den Fliegen¬ 
wedelhändlern, welche aus Hessen und Nassau uach England wandern. 
Ein solches Gewerbe kann natürlich nicht Viel einbringen, und dient 
gewöhnlich nur zum Vorwände für Landstreicherei, wobei Unredlichkeit 
und Liederlichkeit selten ausbleiben. Da sollte man doch lieber an dem 
alten Spruche halten: Bleibe im Lande und nähre dich redlich. Denn 
vor solchen deutschen Herumstreichern haben die Fremden keinen Re¬ 
spekt und glauben zuletzt, unser ganzes Land stecke voll Gesindel. 
So ist es auch mit der Auswanderung nach Amerika. Zwar 
wohnen schon fast 4 Millionen Deutsche in den weitläufigen Ländern 
der vereinigten Staaten von Nordamerika, zwar verlassen jährlich viele 
Tausende in Deutschland Haus und Hof, Freunde und Verwandte, 
um in der neuen Welt ein besseres Schicksal zu suchen. Allein ein 
großer Theil von ihnen bereut zu spät diesen gewagten Schritt. Denn 
Amerika ist zwar ein ergiebiger Boden für Den, welcher Etwas dort 
hat, aber eine traurige Wüste für Den, welcher dort das Mitleid an¬ 
sprechen muß. Wie Viele werden schon unterwegs um ihre Habe be¬ 
trogen! wie Viele fallen dort Betrügern in die Hände! Denn die großen 
Seestädte sind gar viel von gewissenlosen Menschen bewohnt, welche sich 
nicht scherten, sich mit dem Schweiß und Blute ihrer Mitmenschen zu 
bereichern. Die deutschen Bauern find aber den Kniffen solcher Men¬ 
schen nicht gewachsen. Auch bilden sich manche thörichten Menschen ein, 
in Amerika liege das Gold auf den Straßen, so daß man es bloß 
aufzulesen brauche. Sie mögen nur hinreisen, da werden sie erfahren, 
daß es überall ist wie bei uns: den Fleißigen hat man lieb, den Faulen 
schilt man einen Tagedieb. Und das andere Sprüchwort: Als der Faule 
schlief, pflügte der Fleißige tief und hatte Korn, als der Käufer rief. 
12 Das Alpenleben. 
Herrlich ist das Leben des Älplers bei schöner Witterung im Sommer, 
wenn die Gebirge im Glanze der Sonne strahlen und in mannigfal¬ 
tigen Farben spielen. Seine Brust athmet frei in der reinen, erquicken¬ 
den Luft; eine milde Wärme durchdringt seine Glieder und weckt ihn 
zu einer Munterkeit und fröhlichen Lust, welche ihn jeden bequemeren 
Zustand vergessen läßt. Wer jemals einen schönen Tag auf den Alpen
	        
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