Full text: Auswahl von Gedichten und volkstümlichen Liedern für höhere Mädchenschulen

Friedrich von Schiller. 
Doch wehe, wehe, wer verstohlen 
Des Mordes schwere That vollbracht! 
Wir heften uns an seine Sohlen, 
Das furchtbare Geschlecht der Nacht.“ 
17. Und glaubt er fliehend zu entspringen, 
Geflügelt sind wir da, die Schlingen 
Ihm werfend um den flücht'gen Fuß, 
Daß er zu Boden fallen muß. 
So jagen wir ihn ohn' Ermatten, 
Versöhnen kann uns keine Reu', 
Ihn fort und fort bis zu den Schatten 
Und geben ihn auch dort nicht frei.“ 
18. So singend, tanzen sie den Reigen, 
Und Stille wie des Todes Schweigen 
Liegt überm ganzen Hause schwer, 
Als ob die Gottheit nahe wär'. 
Und feierlich, nach alter Sitte, 
Umwandelnd des Theaters Rund, 
Mit langsam abgemeßnem Schritte 
Verschwinden sie im Hintergrund. 
19. Und zwischen Trug und Wahrheit schwebet 
Noch zweifelnd jede Brust und bebet 
Und huldiget der furchtbarn Macht, 
Die richtend im Verborgnen wacht, 
Die unerforschlich, unergründet 
Des Schicksals dunkeln Knäuel flicht, 
Dem tiefen Herzen sich verkündet, 
Doch fliehet vor dem Sonnenlicht. 
20. Da hört man auf den höchsten Stufen 
Auf einmal eine Stimme rufen: 
„Sieh da, sieh da, Timotheus, 
Die Kraniche des Ibykus!“ — 
Und finster plötzlich wird der Himmel, 
Und über dem Theater hin 
Sieht man in schwärzlichtem Gewimmel 
Ein Kranichheer vorüberziehn.
	        
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