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10. Der Esel.
Wohin es durch Sklaverei und schlechte Behandlung mit einem
sonst stattlichen Geschöpfe kommen kann, sieht man an dem Esel. In
Deutschland und andern Ländern von gleichem Klima ist er wegen
seiner Dummheit und Langsamkeit verachtet, ist zu den niedrigsten Ar¬
beiten und dem schlechtesten Futter verurtheilt und sieht auch wirklich
in seinem grauen Kleide trotz des Kreuzes auf dem Rücken ziemlich
kläglich ans. So steht es aber nicht überall mit ihm. Der wilde
Esel ist ein durch Schnelligkeit und Munterkeit im mittleren Asien be-
kanntes Thier und wird als solches schon in der Bibel erwähnt. Auch
der zahme Esel wird in allen heißen Ländern, besonders wenn sie zu¬
gleich gebirgig sind, in Ehren gehalten. Er ist dort beträchtlich größer,
sein Haar dunkler gefärbt und glätter, seine Augen lebhafter und sein
Gang rasch genug, um ihn zum Reiten zu empfehlen. In den kälteren
Gegenden ist der Esel desto mehr ausgeartet, da man auf seine Pflege
Nichts verwendet, sich um sein Gedeihen nicht kümmert, nicht fragt, ob
er zu schwer beladen ist, so lange seine Geduld nur ausreicht, den
Sack an Ort und Stelle zu bringen. In Schweden, wo das Klima
noch ungünstiger ist, hört selbst dieses kümmerliche Dasein auf. Auch
in unserer Gegend lassen sich indeffen noch manche guten Eigenschaften
an ihm entdecken, wenn man gerecht genug sein will, sie anzuerkennen.
Er ist zum Beispiel weit vorsichtiger als das Pferd, stolpert äußerst
selten und kann die steilsten Pfade ohne besondere Mühe erklimmen.
Daher auch sein Gebrauch zum Reiten in solchen Badeörtern, welche
von steilen Bergen umgeben sind. Er ist ferner reinlich, tritt nicht
ohne Noth in den Schmutz, und zum Wälzen sucht er sich wenig¬
stens trockne Stellen aus. In seiner Nahrung ist er so genügsam als
möglich, doch würde er auch wohl besser gedeihen, wenn man ihm
manchmal etwas Besseres als Disteln und solche geringe Kräuter
reichen wolle. Aber die Herren des Esels sparen gewöhnlich am Futter
und sind desto freigebiger mit Schlägen. Seine langen Obren machen
ihn zwar öfters zum Gegenstände des Spottes, allein man sollte doch
zugleich wissen, daß er wirklich ein so feines Gehör hat, als kaum ein
anderes Thier, und daß grade darum der wilde Esel so selten ein¬
geholt wird und seine Lebensart so wenig bekannt ist. Es ist sogar
behauptet worden, daß eben dies feine Gehör dem Esel den Aufenthalt
in unseren volkreichen Ländern verleide und sein Gedeihen hindere;
allein auf den einsamen Mühlen kommt er ja nicht besser fort als in
den Städten. Die Last, welche der Esel auf seinem Rücken trägt, ist
verhältnißmäßig sehr beträchtlich, denn sie steigt auf 3 Centner. Einem
Pferde würde Dies sehr viel zu schaffen machen, obgleich es um ein
Drittheil größer ist. Freilich ist auch der Bau der beiden Thiere
etwas verschieden, bei dem Pferde die Brust, bei dem Esel der Rücken
stärker. Doch thut auch die größere Geduld das Ihrige. Aber trotz
dieser sprüchwörtlichen Geduld, trifft man doch mehr Falschheit bei dem
Esel als bei dem edleren Pferde. Bor dem Gebiß wie vor den Hufen
der Esel soll man sich hüten. Die Milch der Eselin ist nicht blos
brauchbar, sondern für Kranke, namentlich Brustleidende, besonders
nützlich. Und eine Art Käse, welcher auf die vornehmsten Tafeln