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lieferten. Eine der interessantesten Thaten dieser Art ist auf der Loch-
mühle bei Usingen im Herzogtum Nassau geschehen, jetzt vor etwa
80 Jahren. In dortiger Gegend hielt sich nämlich eine der gefährlich¬
ste,? Zigeunerbanden aus, deren Anführer der Heidenernst hieß, und
wegen seiner Starke und Furchtlosigkeit fast für unangreifbar galt.
Da er aber fort,vahrend die Gegend unsicher machte, man auch wußte,
daß er große Summen gestohlenen Geldes verborgen halte, so erwachte
die Lust in dem alten Wachtmeister Klimbach zu Wehrheim, den Hei-
dcncrnst in seinem gewöhnlichen Schlupfwinkel, der Lochmühle, zu
überfallen. Er verband sich zu diesem Zwecke mit einigen herzhaften
Männern, bewaffnete sie ganz heimlich und kundschaftete die Gelegen¬
heit auf der Mühle aus. Die Anstalten waren gut getroffen. Denn
lief in der Nacht drang Klimbach in das Zimmer, wo die Zigeuner
schliefen, und als der Sohn des Heidenernst eine Pistole auf ihn rich¬
tete, kam ihm der wackere Wachtmeister zuvor und tödtete ihn auf der
Stelle. Da er nun im Besitze der Waffen der Zigeuner war, wagte
selbst der verwegene Heidenernst nicht länger sich zur Wehre zu setzen,
sondern ergriff die Flucht, ,reiche ihm auch gelang. Die übrigen Zi¬
geuner wurden in Sicherheit gebracht und erlitten ihre Strafe als
Räuber. Der Heidenernst, voll Erbitterung über den Verlust seines
Sohnes und seiner Geldtöpfe, lauerte zwar seinem Besieger noch eine
Zeit lang auf, vermochte sich aber doch nicht zu rächen und scheint
zuletzt in ein fernes Land gegangen zu sein. Der herzhafte Klimbach
dagegen genoß nicht blos einen Theil der gemachten Beute, sondern
hatte auch die Ehre, in einem Volksliede besungen zu werden.
Das €*ross!terzogilt«Bm Rad eis.
Der hinge, schmale Strich an dem rechten Ufer des Rheines
vom Bodensee bis zum Einfluss des Neckars, und dem Spessart
gegenüber sogar den Main berührend, bildet das Grossherzogthum
Baden, vordem eine bedeutend kleinere Markgrasschaft. Jetzt hat
es fast doppelt soviel Einwohner als Kurhessen (1370000), welche
schöne fruchtbare Gegenden theils am Schwarzwalde, theils in den
Thälern des Rheins, des Neckars und des Mains bewohnen. Es
fehlt weder an Holz, denn man schickt ja ganze Flösse den Rhein
und Neckar hinab, noch an Getraide, denn Baden versieht grossen-
theils die Schweiz mit diesem Bedürfniss, noch an Vieh, denn
Frankreich führt Pferde und Ochsen aus Baden ein. Auch Wein
ist vorhanden, doch reicht die Güte desselben nicht leicht an die
des in Nassau, Hessendarmstadt und Nheinbaiern erzeugten. Von
seinen Städten sind Konstanz, Freiburg und Heidelberg "durch ihre
herrliche Lage ausgezeichnet, die beiden letzteren sind zugleich
Universitäten, darunter Heidelberg von vielen Ausländern besucht.
Grösser jedoch ist die Residenz Karlsruhe, noch nicht 150 Jahre
alt und mitten im Walde angelegt. Gleichwohl ist es jetzt eine
ansehnliche und schöne Stadt mit lauter geraden Strassen, welche
sämmtlich von dem grossherzoglichen Schlosse, also strahlenförmig
auslauten (24000 E.). Auch ist die Stadt jetzt durch eine Eisen¬
bahn mit dem nicht weit entfernten Rhein in Verbindung gesetzt,