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so dass man zur Reise nach Karlsruhe ebensowohl die Dampfschiff¬ 
fahrt als die Eisenbahn benutzen kann. Dennoch ist nicht Karls¬ 
ruhe, sondern Mannheim die ehemalige Hauptstadt der Pfalz, 
die erste Handelsstadt des Grossherzogthums (24000 E.) Denn 
die günstige Lage an dem Zusammenflüsse des Neckars und Rheins 
machen, dass in Mannheim nicht blos ein grosser Holzhandel, 
sondern auch mit den Produkten der fruchtbaren Umgegend be¬ 
steht, und dass auch die fremden Waaren, welche Süddeutschland 
bezieht, vielfältig dort ausgeladen werden. Einer solchen Stadt 
fehlen auch Brücken nicht, über den Rhein eine Schiff- über den 
.Neckar eine Kettenbrücke. Mannheim und das badnische Land 
überhaupt besitzen Fabriken verschiedener Art. Denn das Volk 
ist regsam und die Bevölkerung für blossen Ackerbau zu dicht. 
Viel Geld kommt auch durch das Bad in das Land, welchem wahr¬ 
scheinlich der ganze Staat seinen Namen verdankt, nämlich zu 
Baden-Baden. Seit den Zeiten der Römer hat man die dortigen 
heissen Heilquellen, welche beinahe die von Wiesbaden übertreffen, 
gekannt, und die schöne Natur der Umgegend lockt alljährlich 
Tausende von Fremden hin, wovon freilich viele dem Glücksspiele 
zu Gefallen kommen. Die neue Bundesfestung Ra stadt hat ihre 
erste Probe leider nicht gegen den alten Erbfeind, die Franzosen, 
bestehen müssen, sondern ist 1849 von Deutschen gegen Deutsche 
vertheidigt worden. Hoffentlich das letzte Mal! 
öl. Burg WLndeck an der Bergstraße. 
An der schönen Bergstraße, nicht weit von Heidelberg, liegen die 
Trümmer der Burg Windeck. Viel ist nicht mehr vorhanden. Kein 
Wunder, da die letzten Besitzer zwei so geizige Brüder waren, daß die 
Erzählung davon noch jetzt im Munde des Volkes lebt. Diese Brü¬ 
der nämlich hatten ihr Herz so sehr an den Mammon gehängt, daß sie 
sich selbst nicht, wieviel weniger Anderen eine Lebensfreude gönnten. Sie 
hatten sich nicht verheirathet, um ihre Güter nicht mit Weib und Kin¬ 
dern theilen und wenigstens keine Ausgaben für dieselben machen zu 
müssen. Selbst Thiere waren ihnen zu kostspielige Gäste, denn diese 
sparen ja nicht, wenn die Gaben Gottes vor ihnen ausgebreitet sind, 
sondern genießen dieselben. Nur eine einzige Ausnahme hatten sich 
die kargen Brüder erlaubt, sie hielten eine Meise in ihrem Zimmer 
uns fütterten diese täglich mit einem Nußkern. Einst aber als sie zu¬ 
sammensaßen und rechneten, fiel ihnen ein, daß täglich eine Nuß in 
der Woche doch 7 ausmache und in dem Monate 30, wohl gar 31, 
wenn es der Januar oder März oder einer der langen Monate sei. Und 
daß die Nüsse Käufer fänden, daß man für das Hundert wohl gar 
6 Kreuzer zahle, das hatten sie erst kürzlich erfahren. Sie machten 
sich also Vorwürfe über die unverantwortliche Verschwendung, womit 
sie bisher jährlich über ein Kopfstück an die unnütze Meise gehängt 
hatten. Und nachdem sie lange gezankt und sich wechselseitig der 
Prasserei beschuldigt hatten, so wurden sie zuletzt wieder einig in dem 
Entschluß, den kostspieligen Vogel fliegen zu lassen. Der älteste öffnete 
das Fenster und die muntere Meise flog ohne Dank davon und dachte 
nicht daran, in ihre Gefangenschaft zurückzukehren.
	        
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