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gewahr wurden, suchten sie von beiden Seiten sich wieder an einander zu
schließen. Dadurch entstand ein furchtbares Gedränge, so daß viele Ritter
in ihren Harnischen erstickten. Als nun das Fußvolk und die Troßbuben
diese Verwirrung sahen, hielten sic Alles für verloren und zogen sich eilig
zurück, so daß die Ritter nicht zu ihren Pferden gelangen konnten und
in ihren schweren Rüstungen, die zum Fußkampf nicht geeignet waren,
den Streichen der weit gewandteren Schweizer erlagen. 056 Grafen,
Edelleute und Ritter bedeckten das Schlachtfeld, mit ihnen lag unter
den Seinen Herzog Leopold gleichfalls erschlagen. Die Schweizer aber
gedachten dankbar ihres Landsmannes Winkelried und widmeten ihm eine
Kapelle. Dieser und ein anderer bald darauf erfolgter Sieg errang den
Schweizern eine längere, dauerhafte Ruhe.
12L-. Besteigung des Frusteraarhorns.
Das Finsteraarhorn, eine im Kanton Bern gelegene Alpenspitze, ist
der höchste Punkt auf schweizerischem Boden, und wenn man auf die
Sprache achtet, in Deutschland. Es ist 13 200 Fuß hoch, folglich nur
1 500 Fuß niedriger als der Montblanc, der höchste europäische Berg.
Wie schwer es zu besteigen ist, ergiebt sich aus der folgenden Erzählung.
Am 5. Sept. 1842, Morgens 10 Uhr, sah man von dem Grtmsel-
Hospiz (ein auf einem hohen Passe liegendes Wirthshaus) vier Männer
ausgehen, versehen mit Stöcken, Stricken und andern zum Ersteigen ge¬
fährlicher Höhen nothwendigen Werkzeugen, die Schritte nach der Ober¬
aaralp richtend, die zwei Stunden voit der wirthlichen Grimsel entfernt
liegt. Da atlgekontmen schlugen die Wanderer den Weg nach dem obern
Aargletscher*) ein, dessen höchsten Punkt sie um 5 Uhr des Nachmittags
erreichten. Die Ansicht, welche sie an diesem Punkte von dem Finsteraar-
horn hatten, schildern dieselben als großartig im höchsten Grade, indem
das mächtige Gebirg, in mannigfaltig gezackten Bogen zu einer schwin¬
delnden Höhe sich hinauf schwinge und in riesenhaften Umrissen auf dem
tiefblauen Grunde des Himmels sich abzeichne. Wie herrlich auch ein
solcher Anblick war, und wie gern auch unsere Reisenden das erhabene
Schauspiel noch länger genossen hätten, so mußten sie doch, von der Zeit
gedrängt, weiter eilen, zuerst gegen einen Gletscher hinabsteigen, denselben
quer durchschneiden, an einer Schnecwand hinauf klimmen, abermals
abwärts über ausgedehnte Stein- und Eisfelder schreiten, dann abermals
jenen Gletscher betreten und noch einige Zeit steigen, um die Stelle zu
erreichen, auf welcher frühere Reisende während ihrer Alpenreise ihr
Quartier aufgeschlagen hatten. Die Sonne war nun schon geraume Zeit
unter den Horizont gesunken, die Dämmerung hereingebrochen und es
daher räthlich geworden, die Tagreise zu beschießen. Man suchte eine
etwas geebnete, steinige Stelle aus, setzte sich zum Abendbrod nieder und
ließ sich den mitgenommenen Wein, Käse und das gebratene Ziegenfleisch
zu dem durch die Luft trocken gewordenen Brode vortrefflich schmecken.
Dann wurden die müden Glieder bedacht. Einige Ziegenfelle, auf den
*) Gletscher sind ungeheure Eismassen, die in den Hochgebirgen entstehen, wenn
der Schnee schmilzt, und das Schmclzwasser wieder gefriert.