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Das Wasser sinkt, das Land erscheint; 
Und überall wird schön Hannchen beweint. 
Und Dem sei, wer's nicht sing und sagt, 
Im Leben und Tod nicht nachgetragt! 
38. Die wandelnde Glocke. 
Es war ein Kind, das wollte nie 
Zur Kirche sich bequemen, 
Und Sonntags fand es stets ein 
Wie, 
Den Weg ins Feld zu nehmen. 
Die Muttex sprach: die Glocke 
tönt, 
Und so ist dir's befohlen, 
Und hast du dich nicht hingewöhnt, 
Sie kömmt und wird dich holen. 
Das Kind es denkt: die Glocke 
hängt 
Da droben auf dem Stuhle. 
Schon hat's den Weg in's Feld ge¬ 
lenkt, 
Als lies cs aus der Schule. 
Die Glocke, Glocke tönt nicht 
mehr, 
Die Mutter hat gefackelt. 
Doch welch' ein Schrecken hinterher! 
Die Glocke kommt gewackelt. 
Sie wackelt schnell, man glaubt 
es kaum; 
Das arme Kind im Schrecken 
Es lauft, es kommt, als wie ein 
Traum, 
Die Glocke wird es decken. 
Doch nimmt es richtig seinen 
Husch, 
Und mit gewandter Schnelle 
Eilt es durch Anger, Feld und Busch 
Zur Kirche, zur Kapelle. 
Und jeden Sonn- und Feier¬ 
tag 
Gedenkt es an den Schaden, 
Läßt durch den ersten Glockenschlag 
Nicht in Person sich laden. — 
39. Friedrich von Schiller. 
Unter allen deutschen Dichtern ist Schiller ohne Zweifel bei 
dem Volke und der Jugend der berühmteste. Seine Schauspiele 
werden auf allen Theatern aufgeführt, seine Gedichte von Jung 
und Alt, von Hohen und Niedrigen gelesen, viele seiner Lieder 
auch überall gesungen. Und er verdient diesen Ruhm nicht blos, 
weil seine Dichtungen schön und musterhaft, sondern auch von 
durchaus edlem und sittlichem Inhalte sind. Auch Das zeichnet 
Schiller aus, dass er in früher Jugend schon die Aufmerksamkeit 
seines ganzen Vaterlandes auf sich zog. Denn als 18jähriger 
Jüngling dichtete er schon ein Trauerspiel, woraus sich sein poe¬ 
tisches Genie bereits deutlich erkennen liess. Er war damals 
Zögling einer hohen Schule in Stuttgart, wo er überaus streng 
gehalten wurde und wenig Zeit zu seiner Lieblingsbeschäftigung 
behielt. Doch aus Liebe zu seinen Eltern, welche auch in Wür- 
temberg wohnten und dem Herzoge Vieles verdankten, hielt er 
den Zwang aus. Auch der Umgang mit treuen und gebildeten 
Freunden versüsste ihm manches Bittere. Nachdem er aber Re¬ 
gimentsarzt geworden war, und der Herzog ihm verbot, etwas 
Anderes drucken zu lassen als über Arzneikunde, so wandte er 
lieber seinem Vaterlande den Rücken und lebte bald in Sachsen, 
bald in der Pfalz in ziemlich dürftigen Umständen. Weil seine
	        
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