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speicherest mit ihren großen, feuerrothen Angen uns anstarrt und durch 
ihr dumpfes nächtliches Geschrei Thiere und Menschen schreckt; ein ge¬ 
waltiger Raubvogel der selbst Hirsch- und Rehkälber, Hasen, Auer- und 
Birkhühner angreift, dabei aber auch — zu seinem Ruhme sci's ihm, 
wie allen Eulen nachgesagt! — Ratten und Mäuse in Menge vertilgt. 
Er treibt sein Wesen im nächtlichen Halbdunkel und wird dadurch, wie 
durch seinen leisen Flug, um so gefährlicher. Den Tag über sitzt der 
Uhu ganz stille zwischen Felsen, Mauern, oder zwischen den Ästen hoher 
Bäume ganz an den Stamm angedrückt, die Federn ganz an den Leib an¬ 
gelegt. Kaum aber nähert sich ihm Jemand, so öffnet er die Augen und 
läßt sie nach allen Seiten rollen, wobei er die Flügel wölbt und halb 
ausbreitet, alle Federn sträubt, sich mit dem Kopfe nach vorne biegt und 
bald den einen, bald den andern Fuß in die Höhe hebt. Zugleich zischt 
und knappt er beständig mit dem Schnabel und macht überhaupt die 
lächerlichsten Stellungen und Grimaffen. Seine großen Augen scheinen 
dabei zu funkeln und sind in beständiger Bewegung, wobei auch die Pu¬ 
pille sich mit jedem Athemzuge verändert. Daher kann es kaum befrem¬ 
den, daß dieser Vogel so viel Stoff zu abergläubischen Sagen gegeben 
hat, namentlich zu der von dem wilden Jäger, oder dem wilden Heere. 
Diese wilde Jagd besteht darin, daß man in der Stille der Nacht plötz¬ 
lich aus den Wäldern und Bergen her, ein hohles, gedämpftes und doch 
N'eit hörbares Rufen „ Pfuhu, Psuhu! " oft von mehreren Seiten her 
schnell wiederholt hört, welches das Echo nicht selten noch furchtbarer 
wiedergibt. Brausend und schnaubend zieht cs durch die Gebüsche, und 
wenn man in der Nähe ist, glaubt man feurige, sich schnell bewegende 
Punkte zu bemerken. Bald ertönt ein helleres „ Hu", bald glaubt man 
ein schallendes Hohngelächter zu hören, bald das Heulen und Klaffen von 
Hunden, oder das jauchzende Rufen der Jäger und das Wiehern der 
Pferde zu vernehmen. Alles zusammen, die dunkeln, unheimlichen Wäl¬ 
der, Nacht, Felsen oder nahe Ruinen, ergreifen die Einbildungskraft des 
ängstlichen Wanderers, und man glaubt Manches zu hören, was nicht 
ist. Dies alles aber kommt von nichts Anderem, als den Kämpfen rind 
Zügen unseres Uhus her, wobei sich oft bis 20 und mehr versammeln 
sollen. Am Tage ist der Uhu mehr lächerlich als fürchterlich, weßhalb 
ihn die Vogelsteller zur Anlockung für kleinere Bögel benutzen. Diese 
wollen den trübseligen, possierlichen Kau; necken und gerathen selbst 
unter das Netz. 
ÄS). Der Bartgeier. 
Dieser größeste und stärkste Raubvogel Europas kommt zwar im 
Inneren von Deutschland nicht vor, wohl aber haust und horstet er 
gleich dem Adler auf den höchsten Spitzen der Alpen in der Schweiz, 
Tyrol und Salzburg. Dort verfolgt er die Gemsen und Hasen und 
raubt von den Heerden junge Lämmer, wovon ihm der Name Lämmer¬ 
geier zu Theil geworden ist. Vermöge seiner ungeheuren Stärke stürzt 
er selbst große Thiere in Abgründe, um sich dann ihres zerschmetterten 
Leichnams zu bemächtigen. Etwas kleinere aber trägt er in seinen ge¬ 
waltigen Klauen durch die Lüfte an einen sicheren Ort, oft zu seinen 
Jungen ins fliest. Solche Gewaltthaten sollen selbst schon an Kindern 
verübt worden sein, wenigstens ist folgende Geschichte außer Zweifel. 
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