Contents: Der Abt von Amelunxborn (Bd. 1)

— 79 — 
wurde, daß auch ich einmal jung gewesen, und so sagte 
ich zu. Da hättet Ihr die Freude des lieben Kindes 
sehen sollen; es fehlte wenig, und sie wäre mir um den 
Hals gefallen und hätte mich alten Klosterbruder geküßt. 
Und sie händigte mir dieses Briefleiu ein, das ich hier¬ 
mit in Eure Hände niederlege. Mir aber, junger Herr, 
gebühret jetzt wohl ein Botenlohn; gestattet daher, daß ich 
auf Eurem Schlosse einige Tage raste und alsdann meinen 
Weg nach Fulda fortsetze." 
Mit raschem Griff entriß Heinrich dem Mönche das 
Schreiben, erbrach das Wachssiegel und überflog die 
wenigen Zeilen. Da aber war es ihm, als ergösse sich 
die ganze Seligkeit des Himmels mit einem Male über 
sein Haupt. Er drückte das Papier an seine Lippen, 
lachte und weinte in einem Atemzüge, las wieder und 
wieder und brach endlich in den Jubelruf aus: „Ja, 
Katharina, ich komme, ich befreie Dich! O Du mein 
Glück, meine Seligkeit!" Der Klosterbruder stand staunend 
dabei und schüttelte mit dem Kopse. „Junker, sprach er, 
„Ihr scheint eine gute Nachricht erhalten zu haben; ge¬ 
wiß ist's die Liebste, die Euch geschrieben? O so muß 
ich alter Klosterbruder noch zum Liebesboten werden, wozu 
ich doch, wie mir scheint, tauge, wie der Esel zum 
Lautenschlagen. Das hätte ich mir in meiner Zelle in 
Lüneburg nicht träumen lassen!" Statt jeder Antwort 
nahm Heinrich den Alten am Kopf und küßte ihn auf 
beide Wangen; dann wirbelte er ihn einige Male wie 
im Tanze mit sich herum, so daß dem an solch ungestüme 
Bewegung nicht Gewöhnten schier Hören und Sehen ver¬ 
ging. Als er endlich den keuchenden und nach Luft 
schnappenden Mönch auf dem moosigen Steine niedersetzte, 
sagte er zu ihm: „Verzeiht, ehrwürdiger Vater, daß ich 
meiner Freude einen so stürmischen Ausdruck lieh. O 
wenn Ihr wüßtet, was in dem Brieflein steht, Ihr würdet 
Euch mein Benehmen erklären. Aber habt Dank, tausend 
Dank für Eure willkommene Botschaft, und nun kommt 
mit mir auf mein Schloß. Ruhet Euch dort aus so lange 
Ihr wollt, es soll Euch an nichts fehlen; und wenn Ihr
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.