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Licht. Da frohlockte Sophie, klatschte in die Hände und verkündete
dem Vater und der Mutter und dem ganzen Hause die Geburt des
jungen Pflänzchens. Darauf benetzte Sophie die Pflanze mit Waffer
und lächelte mit Wohlgefallen auf sie hernieder.
§. 6. Der Vater sah es an und sprach: So recht, mein Kind!
Dem Regen und Thau muß der Sonnenschein folgen. Der Strahl
des freundlichen Auges giebt der Wohlthat, welche die Hand reicht, ihren
Werth. — Dein Pflänzchen wird wohl gedeihen, Sophie!
§. 7. Nun kamen die Blätter aus dem Schooße der Erde ganz
hervor und glänzten mit lieblichem Grün. Da ward Sophiens Freude
noch größer. O, sagte sie mit inniger Freude, ich will auch wohl
zufrieden sein, wenn keine Blüthe kommt. Genügsame Seele! sprach
der Vater, dir wird mehr gegeben werden, als du zn hoffen wagst.
— Er zeigte ihr den Keim der Blume, der zwischen den Blättern ver¬
borgen lag.
§. 8. Sophiens Sorgfalt und Liebe wuchs mit jedem Tage, so
wie die Blume sich allmählich entfaltete. Mit vorsichtiger Hand sprengte
sie Wasser darauf und fragte, ob es genug oder zu viel, und ob es
wohl zu kalt sein möchte. — Und wenn ein Sonnenblick durch die
Fenster kam, dann trug sie leise wandelnd die Pflanze hinüber in den
Sonnenschein; und ihr Odem hauchte den Staub von den Blättern,
so wie ein Morgenlüftchen die Rose umhaucht.
§. 9. Mit dem Gedanken an ihre Blume schlief Sophie am
Abend ein und erwachte mit ihm des Morgens. Mehrmals erblickte
sie auch im Traume ihre Hyazinthe in voller Blüthe, und wenn sie
dann am Morgen noch nicht blühte, und Sophie sich getäuscht sah,
war sie deshalb unbekümmert und sprach lächelnd: Es kann ja noch
werden. —
§. 10. Zuweilen auch fragte sie den Vater, in welche Farbe
wohl die Blume sich kleiden würde, und wenn sie alle Farben durch¬
gegangen war, sprach sie mit fröhlicher Stimme: Es ist mir einerlei,
wenn sie nur blühet.
§. 11. Endlich blühete die Blume. Zwölf Glocken hatten sich
in der Frühe des Morgens geöffnet. Zwischen fünf breiten, smaragd¬
grünen Blättern hingen sie hernieder in voller jugendlicher Schönheit.
Ihre Farbe war röthlich, gleich dem Wiederschein der Morgenröthe
oder dem zarten Duft auf Sophiens Wangen. Ein balsamischer
Wohlgeruch umschwebte die Blume. Es war ein heiterer Märzmorgen.
§. 12. Sophie konnte die Herrlichkeit nicht fassen; ihre Freude
war daher still und ohne Worte. Sie lag vor der Blume auf ihren
Knieen und schaute sie an. —
§.13. Da trat der Vater herzu, und sah sein geliebtes Kind
und die blühende Hyazinthe an, und ward gerührt und sprach: Siehe,
wie du deine Hyazinthe liebst, so und noch mehr lieben wir dich!