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II. Unser Soimcn-Systtlli.
Die alten Völker stellten sich unsere Erde als eine flache Scheibe
vor und wähnten, die große, feurige Sonne, der freundliche Mond und
das zahllose Heer der so lieblich funkelnden Sterne sei bloß der Erd¬
bewohner wegen und zur Zierde des Himmels da. Nach und nach aber
brachte das Nachdenken, die Einsicht und der Fleiß der Menschen mehr
Übereinstimmendes zu Tage; allein von der Vorstellung, daß unsere
Erde gleichsam der Hauptkörper in der großen Weltschöpfung sei,
daß sie fest und unbeweglich stehe, daß sich Sonne, Mond und
Sterne um die Erde drehen, von dieser Vorstellung wollte man
in circa 1-400 Jahren nicht abgehen, wenn auch einige hervorragende
Geister, namentlich unter den alten Griechen und Römern, die Mei¬
nung aufgestellt hatten, daß sich die Erde in einem (schiefen) Kreise
um die Sonne und dabei täglich um ihre Achse drehe. Da endlich
war es einem Manne, begabt mit ungewöhnlichem Scharfsinne und tief¬
denkendem Geiste, vorbehalten, Licht und Aufklärung zu verbreiten über
einen Punkt der Wissenschaft, in welchem so lange Dunkel und Verworren¬
heit geherrscht hatte. Und dieser gewaltige Geist war Nikolaus Koper¬
nikus, geboren zu Thorn an der Weichsel, am 19. Februar 1473.
Er bewies mit schlagenden und unabweislichen Gründen: Die Sonne,
der Licht und Wärme spendende Körper, steht in der Mitte
und dreht sich bloß um sich selbst; die Planeten aber — wie
unsere Erde — an sich dunkle Körper, laufen in sestbe-
stimmten Bahnen um die Sonne, drehen sich bei diesem
ewigen Kreislaufs in gewissen kürzeren Zeitabschnitten zu¬
gleich höchst regelmäßig um sich selbst, und empfangen ihr
Licht von der Sonne. So fand Kopernikus, dieser gewaltige Forscher,
unser wahres Sonnensystem; denn unter Sonnensystem versteht
man die Sonne mit den sie umkreisenden Planeten, Monden, Ko¬
meten und Sternschnuppen.
Von dem Zeitpunkte (1543) an, wo Kopernikus sein System,
daß die Sonne in der Mitte stehe, und die Planeten in genau vor¬
gezeichneten Bahnen um dieselbe rollen, dabei aber zugleich sich regel¬
mäßig um ihre Achse drehen, aufgestellt hatte, kannte man bis zum
Jahre 1781 nur sechs Planeten: Merkur, Venus, Erde, Mars,
Jupiter und Saturn. Da entdeckte aber der berühmte Astronom
Herschel (ein Deutscher) am 13. März 1781 einen siebenten Planeten,
den Uranus; 1801, 1802, 1804 und 1807 wurden von einem
Italiener, Piazzi, und von den Deutschen Olbers und Harding noch
vier Planeten: die Ceres, Pallas, Juno und Vesta gefunden.
So nahm man bis zum 7. Dezember 1845 an, daß unser Sonnen¬
system aus der Sonne und den elf Planeten: Merkur, Venus,
Erde, Mars, Vesta, Juno, Ceres, Pallas, Jupiter, Saturn
und Uranus bestehe. Allein am 8. Dezember 1845 wurde vonHencke
in Drießen ein zwölfter Planet entdeckt. Man nannte ihn Asträa.