Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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ei« gewaltig großer Körper ist also unsere Sonne! Unser Geist staunt 
diese Größe wohl an, jedoch fassen, begreifen kann er sie nicht; 
denn sie ist zu ungeheuer! Und dieser unbegreiflich große Sonnen¬ 
körper schwebt frei, ohne allen und jeden Stützpunkt, im großen 
Weltenraume, gehalten, getragen von der gewaltigen Hand des All¬ 
mächtigen, vor dem die riesige Sonne ein Staubkörnlein ist, und der 
die Himmel rollt wie ein Gewand! 
So ungeheuer aber die Größe der Sonne ist, eben so erstaunlich 
ist auch ihre Entfernung von der Erde; denn wisie, mein Leser, 
der Abstand der Sonne von unserer Erde beträgt 21 Millionen 
Meilen. Wir müffen uns abermals durch Vergleichungen zu helfen 
suchen. Also Achtung! Gesetzt, es führte ein gut gebahnter und 
ebener Weg von unserer Erde zur Sonne, und es wollte ein Erden¬ 
bewohner einen Besuch auf der Sonne abstatten, so würde er, wenn er 
heute von der Erde abreisete und Tag für Tag zwanzig Stunden 
oder zehn Meilen Weges zurücklegte, doch erst in — — 6200 
Jahren auf der Sonne ankommen! Kannst du, lieber Leser, diese 
furchtbare Entfernung denken? — Das Licht aber, oder die Strahlen 
dieser Sonne durchfliegen diese ungeheure Strecke von 21 Millionen 
Meilen in-acht Minuten und dreizehn Sekunden, so daß 
sie also in einer Sekunde gegen 42,000 Meilen durchfliegen! Und 
was soll nun unser erstaunter Geist mehr bewunden:, den furchtbaren 
Raum, der zwischen der Erde und der Sonne ist, oder die unbegreif¬ 
liche ^Schnelligkeit des Lichtes? — 
Über den Stoff, das Wesen der Sonne selbst sind aber die ge¬ 
lehrtesten Astronomen, die scharfsinnigsten Geister bis heute noch nicht 
einig und werden's wohl auch niemals werden. Ehemals hielt man 
den ganzen unermeßlichen Sonnenkörper für eine glühende, hellbrennende 
Maffe. Von dieser Ansicht ist man jedoch in der neuern p eit zurück¬ 
gekommen, indem man gefragt hat: Woher sollte, wenn die Sonne ein 
wirkliches Fcuermeer wäre, dieses Feuer seine ewige Nahrung nehmen, 
daß es in tausend und aber tausend Jahren nicht abnimmt und zuletzt 
wie eine ausgebrannte Kohle verglimmt und erstirbt? Ferner hat man 
geltend gemacht: wenn die Sonnenstrahlen feurige Ausflüsie aus der 
Sonne wären, so müßte es doch, je näher der Sonne, desto heißer 
sein. Wir finden aber gerade das Gegentheil. Denn je höher die 
Luftschiffer sich in die Luft erheben (folglich sich der Sonne nähern), 
desto kälter wird es; und je höher die Gebirge der Erde sind, desto 
mehr Eis und Schnee treffen wir auf ihnen, selbst in den heißesten 
Sommertagen. Man nimmt deshalb heut zu Tage ziemlich allgemein 
an, die Sonne selbst könne wohl ein kühler, ja selbst ein dunkler Kör¬ 
per sein; aber so wie unsere Erde von einer hohen Luftschicht, so sei 
die Sonne von einer ungeheuren, vielleicht elektrischen Lichtmaterie 
umflossen. Dieses Licht werde dann, durch den schnellen Umschwung des 
Sonnenkörpers (denn die Sonne dreht sich alle 25 Tage und ziemlich 
12 Stunden einmal um sich selbst) in steter Bewegung gehalten, und
	        
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