188 Das Zeitalter Wilhelins I. § 107
Der Deutsch-Französische Krieg (1870—1871).
§ 107. Ursache und Vorwand. Deutschlands beginnende Einigung
unter Preußens Führung erfüllte Napoleon mit berechtigter Sorge, daß
er die glänzende Rolle, die er bisher in Europa gespielt hatte, neben
einem starken und mächtigen Nachbarn nicht würde behaupten können,
zumal da er in seinen auswärtigen Unternehmungen nicht mehr von seinem
früheren Glücke begünstigt worden war.
5Se2a . Mischen den Nord- und den Südstaaten der Nordamerikanischen
m simcritn. Uniott1 war 1861 unter der Präsidentschaft Abraham Lincolns ein
Bürgerkrieg ausgebrochen, da die Südstaaten, die bis dahin das Wirt-
schaftliche Übergewicht und die Führung im politischen Leben gehabt
hatten, die von den Nordstaaten geforderte Aufhebung der Sklaverei abge-
lehnt und einen Sonderbund geschlossen hatten. Diesen „Sezessionskrieg",
der das Fortbestehen der Union bedrohte, hatte Napoleon zu dem Ver-
suche benutzt, Frankreich eine feste Stellung in Amerika zu verschaffen.
Zu dem Zweck hatte er einen großen Feldzug gegen die Republik Mexiko
unternommen und ein mexikanisches Kaisertum gegründet, dessen Krone
Erzherzog Maximilian, der Bruder des Kaisers Franz Joseph, ange-
nommen hatte (1863). Als aber der Bürgerkrieg in Nordamerika mit dem
L>iege der Nordstaaten geendet hatte (1865) und nunmehr ein Eingreifen
der Union zu fürchten war, hatte Napoleon die französischen Truppen
(unter Bazaiue) aus Mexiko zurückgezogen. Infolgedessen war Maxi-
milian bald darauf von seinen republikanischen Feinden gefangen genommen
und erschossen worden (1867). Der vierjährige Krieg hatte Frankreich
ungeheure Opfer an Menschen und Geld gekostet und das Ansehen Napo-
leons schwer erschüttert; er bedurfte daher neuer Erfolge, um seinen wan-
kenden Thron zu stützen.
Aber umsonst hatte er im Jahre 1866 bei Gelegenheit der Friedens¬
verhandlungen eine Vergrößerung Frankreichs durch deutsche Staatsgebiete
Die Luxem- zu erhalten versucht. Im folgenden Jahre wollte er das Großherzogtum
Frag?(i867)^uxembnrg, das bis zum Jahre 1866 zum Deutschen Bunde gehört
hatte, aber dem Norddeutschen Bunde nicht beigetreten war, gegen eine
Geldentschädigung an Frankreich bringen. Doch dem einmütigen Wider-
spruch des deutschen Volkes und der festen Haltung Bismarcks gegenüber
mußte er auch diesen Versuch aufgeben. Die Stellung Luxemburgs wurde
neu geregelt, die Festung geschleift, die preußische Besatzung zurückgezogen
und das Land für neutral erklärt. Damit war die Gefahr eines Krieges
1 Die ursprüngliche Zahl von 13 Staaten (tigl. § 53) war bereits 1821 biä auf
26 angewachsen, nachdem man unter anderem (1803) Louisiana Frankreich, (1819) Florida
den Spaniern abgekauft hatte. Texas und (1848) Kalifornien wurden durch einen Krieg
mit Mexiko erworben. Als damals die Goldfelder Kaliforniens entdeckt wurden, begann
die Besiedelung des „fernen Westens", die durch die Eröffnung der ersten Pazifikbahn
zwischen New Jork und San Francisco (1869) wesentlich gefördert wurde.No full text available for this image
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