Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

314 
den Bratofen zu stellen, um durch dieses langsame Braten das Fleisch 
— desto saftiger und schmackhafter zu machen. Die körperlich so schönen 
Bewohner der Marquesas-Inseln schlachten Freund und Feind, 
bei Hungersnoth auch Frau und Kind. Derjenige, der einen Feind 
getödtet-hat, genießt sogleich das Blut und Gehirn des Erschlagenen. 
Doch gilt dies natürlich nur von den Australiern, die noch nicht zum 
Christenthum bekehrt oder überhaupt noch nicht in nähere Berührung 
mit den Europäern oder mit Missionären gekommen sind. Denn 
da, wo der beseligende Odem des Christenthums die Einwohner 
angeweht hat, herrschen Friede, Sanftmuth und Freundlichkeit, und das 
Angstgeschrei der zum Götzenaltare geschleppten oder zu einer teuflischen 
Mahlzeit bestimmten unglücklichen Schlachtopser hat sich in die Stimme 
des Gebetes und des Gotteslobes verwandelt. An die Stelle 
der Menschenopfer ist christlicher Gottesdienst und an die Stelle 
des Kindesmordes zärtliche Mutterliebe getreten. Überhaupt sind 
die Australier, Lei denen das Christenthum eingeführt ist, und noch 
mehr bei denen, die dasselbe lebendig aufgefaßt haben, ganz andere 
Menschen geworden, und die Ot ah citier und die Sandwich- 
Insulaner leben bereits in geordneten Staaten. 
Ä7. Der Brodbaum. 
Zu den dankenswerthestcn Geschenken, welche der Schöpfer den Bewohnern 
derjenigen Länder gegeben hat, in welchen unsere gemeinen Getreidearten wegen zu 
großer Hitze nicht fortkommen, gehört besonders der Brodbaum. Er wächst in 
Ostindien, vorzüglich aber auf den Inseln der Südsee, und wird ungefähr 
so groß wie eine mittelmäßige Eiche; die Blätter sind 1 Va Fuß lang und ent¬ 
halten einen milchichten Saft. Die Frucht ist länglichrund, fast von der Gestalt 
eines Kürbisses. Die samentragende soll zuweilen 100, gemeiniglich aber nur 
20—30 Pfund wiegen; die ohne Samen erreicht höchstens nur die Größe eines 
Menschcnkopfs. Unter der rauhen, grünen Rinde derselben befindet sich ein weißes, 
schwammichtes Fleisch, so locker wie neugebackenes Brod. Die völlig reife Frucht 
sieht gelb aus und enthält einen widrig süßen Brei, der aber selten und nur mit 
Vorsicht genossen wird, weil er ungesund sein soll. Gewöhnlich nimmt man die 
Frucht vor der Reife ab, schneidet sie in 3—4 Theile, wickelt sie in Blätter und 
röstet sie auf heißen Steinen; denn ungeröstet kann sie nicht gegessen werden. Rach 
dieser Zubereitung schmeckt sie wie Weizenbrod, worunter etwas Kartoffelmehl 
gemischt ist. Man bereitet sie aber auch noch auf andere Art zu. Die nicht 
völlig reifen Früchte werden abgenommen und aufgeschüttet, damit sie nachreifen. 
Sodann wirst man das von der Rinde und von dem Fruchtkern abgesonderte 
Fleisch in tiefe gepflasterte Gruben, bedeckt es mit Blättern und Steinen und läßt 
es gähren. Von diesem gegohrnen oder durchsäuerten Teige bildet man kleine 
Brode, wickelt sie in Blätter, und bäckt sie auf heißen Steinen. So hält es sich 
länger, als wenn es ungegohren geröstet wird, daher es die Otaheitier, bei denen 
der Brodbaum besonders häufig gefunden wird, auf weiten Reisen mit sich nehmen. 
Der Brodbaum läßt sich in heißen Ländern sehr leicht fortpflanzen, und er 
ist so fruchtbar, daß ein Mensch von dreien derselben ein ganzes Jahr leben 
kann; 10 Bäume ernähren eine ganze Familie. 
Das gelbliche Holz des Baumes ist weich, nimmt keine Politur an, kann 
aber zu allerlei Kunstsachen verarbeitet werden. Aus der Rinde verfertigt man 
sehr schönes Zeug zu Kleiderstoffen, und die Blätter dienen theils zum Einwickeln 
d^r Frucht beim Rösten und Backen, theils als Tischtücher. Die abgefallenen 
männlichen Blüthen werden als Zunder benutzt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.