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tische Katharina; in Ungarn und Böhmen die edle Maria Theresia; in Preußen
der Einzige Friedrich; in Großbritannien und Hannover die Welfen; erst Wittels-
bacher und Hessen, dann Holsteiner in Schweden, die Oldenburger in Dänemark
und Norwegen, und die Oranier als Erbstatthaltcr in Holland? gingen nicht fast
alle politische Bewegungen Europa's in dieser Zeit von Deutschland aus, wurden
seine Heere, seine Staatsverwaltung, seine Wissenschaften und Künste nicht Vor¬
bilder für Europa? Das rasche Fortschreiten in allen Thcilen der Cultur, der
höhere Wohlstand, die Veredlung aller inneren und äußeren gesellschaftlichen In¬
teressen zeigte, welche gediegene nachhaltige Kraft noch immer in den Gauen zwi¬
schen Rhein und Weichsel, der Nord- und Ostsee und dem Miltelmeere zu fin¬
den sei.
Aber man hat diese Jahre auch dasZeitalter Friedrichs des Großen
genannt, eines Fürsten, der nicht ohne jene Liebe zum Ruhm, die den größten
Geistern am häufigsten beiwohnt, seinen kleinen Staat durch Geltendmachung alter
Ansprüche, durch Benutzung günstiger Gelegenheiten, durch die Mittel seines un¬
erschöpflichen Geistes, durch das beste der damaligen Heere und einen gefüllten
Schatz — „auf Beiden ruhe der Staat wie auf den Schultern des Atlas" — in
die Reihe der ersten europäischen Staaten herauf-, wenigstens aus jenem „Zwitter¬
zustand" herauszuhebcn entschlossen war, nach welchem er noch mehr vom Kur-
fürstenthume, als von einem Königreiche an sich habe. Er war als Jüngling sei¬
nem rauhen, blos militärischen Vater gegenüber, dem er nicht kriegerisch genug
schien, der ihm sogar die Nachfolge zu Gunsten eines zweiten Sohnes entziehen,
ja nach Friedrichs beabsichtigter Flucht nach England als bloscm Officier nach
Kriegsrecht das Todesurtheil fällen lassen wollte, welches kaum in die Küstrincr
Haft verwandelt wurde — durch eine harte Jugend hindurch gegangen. Nicht ein¬
mal seine Gemahlin durfte er selbst wählen; Eugen von Savoyen hatte ihn Karin VI.
für Maria Theresia vorgeschlagcn, seine Mutter (Georgs II. von England Schwester)
ihm eine englische Prinzessin bestimmt; das Erstere (es würde die Weltgeschichte
verändert haben) war wohl nie mehr, als eine Idee Eugens; das Letztere ver¬
eitelte der eigensinnige Vater; die Ehe ohne Liebe (wenn auch nicht ohne Hoch¬
achtung) mit einer braunschweigischen Prinzessin blieb kinderlos. Friedrich suchte
als Kronprinz besonders in seinem schönen Rheinsberg Ersatz für die Strenge des
Kamaschendienstcs in den Wissenschaften und Künsten. Unter Letztcrn waren cs
Musik (auf der Flöte soll der Schüler eines Quanz selbst Meister geworden sein)
und Dichtkunst, unter den Erster« besonders Philosophie und Geschichte, welche ihn
beschäftigten. Während seine musikalischen Compositionen eben jetzt gesammelt wer¬
den, find seine schriftstellerischen Werke längst und nicht blos wegen des gekrön¬
ten Verfassers berühmt. Die Werke der alten Classiker waren ihm nur aus fran¬
zösischen Uebersetzungen bekannt, und daraus, wie aus seiner ungemeinen Vorliebe
für Voltaire mag sich seine Aeußerung erklären, daß ein Gedanke der Hcnriade
Voltaire's die ganze Jliade Homers aufwiege. Freilich bedauerte er nach bittcrn
Erfahrungen selbst an Voltaire, „daß eine so nichtswürdige Seele mit einem so
herrlichen Genie verbunden sei," setzte jedoch hinzu, „daß man aber auch schöne
Sachen von einem Bösewichie lernen könne." Diese Vorliebe für Franzosen (daher
Voltaire, d'Argens, d'Arnaud, Maupertuis u. viele A. kürzere oder längere Zeit
um ihn waren), ihre Sprache und Literatur war das Einzige, was an dem grö߬
ten deutschen Fürsten seiner Zeit undeutsch war. In seiner Thätigkeit („nicht, daß
er lebe, sondern daß er wirke, sei nothwendig") ging er schon als Kronprinz so
weit, daß er einmal den Schlaf sich ganz abgewöhnen und dadurch seine Lebens¬
zeit verdoppeln wollte. — Mit wahrhaft großem Willen trat er, der sich selbst für
den ersten Diener des Staats erklärte, auf und eröffnete gleich anfangs den Mi-