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In England, wie anderwaärts, drehen sich allé Fahnen
nach dem Vinde, der vom Schlosse weht. Der reiche eng—
lische Adel wollte nun auch nur vom Neister Stulz gekleidet
sein. Der aber suchte sich fast lauter tüchtige deutsche
Gesellen zu verschaffon; denn die Deutschen sind in Eng-
land als die besten Arbeiter bekannt und geliebt. Der Stul—
hielt sich gut, hatte die feinsto und bhests Ware, arbeitete
nach dem besten und neuesten Geschmack und nahm Geld
ein über die Maßen, ohwohl er niemals jemand übernahm.
So lange seine Eltern lebten, überhäufte er sie mit
Wohltaten und gar manche leidende Seele segnete den
deutschen Schneider.
Im Laufe von dreibig Jahren hatte er sich ein Voer—
mõgen erworben, das sich auf mehr als eine UNillion belief.
Als aber fünfzig Lebensjahre hinter ihm lagen und
es bergab ging, fand er, daß die Luft in England, die
feucht, dick und nebelig ist, seiner Gesundheit schlecht
bekam. Er hing nun Schere und Bügeleison an den Nagel
und ließ sich in Hyères im südlichen Frankreich nieder,
wo eine gar gesunde Luft ist und Leuteé, die bei uns
schnell an der Auszehrung stèrben würden, noch viele
Jahre leben können, weswegen auch viele reiche Leute
hinziehen. Er kaufte sich dort ein fürstliches Landgut und
war ein grober Herr, — aber niemals stolz; denn er er—
zahlte seinen Gaston gar zu gern von seiner Herkunfst,
seinòem Handwerk, und wie er sich geplagt.
Daß ihr nun wißt, wie ungeheuer reich er war, ist
noch nicht alles. Die Hauptsache ist, wie er seinen Reich-
tum anwandte. Ich habe euch schon erzaählt, daß Wohltun
sein höchstös Glück war. Es ist aber auch über die Maben,
wie er Wohltaten spendete. In Marseille steht eine evan
gelische Kirche, die hat er fast ganz aus seinen UNitteln
orbaut; der katholischen Kirche in Hyères lieb er eine
große Orgel bauen, lieb in der Stadt die Brunnen herstellen,
neue graben, stiftote ein Krankenhaus und dergleichen
herrlicke Anstalten. Und daß ein solcher Mann seinen
Geburtsort nicht vergaß, versteht sich wohl von selbst.
Wenn ihr einmal nach Kippenheim kommt und den
Namen Georg Stulz nennt, so ziehen die Leute die Hüte ab
und sagen: »Gott vergelt's ihm, was er an den Armen
tat!« Dann zeigen sie euch die Kirche, das Krankenhaus
und so weiteèr und sagen: »Das hat er alles gebaut und
gestiftotl« Und kommt ihr nach Karlsruhe, der Hauptstadt
des schönen Badener Landes, so vird man eueh erzablen