Vorwort.
Die Bestimmungen über die Neuordnung des höheren Mädchen-
schulwesens vom 18. VIII. und 12. XII. 1908 geben den vor¬
handenen Lehrmitteln, vorab auch dem deutschen Lesebuch, Anlatz,
Anlage und Inhalt zu prüfen, wieweit sie innerhalb der gezogenen
neuen Richtlinien sich einordnen.
Die Unterstufe des deutschen Lesebuchs scheint von den neuen
Bestimmungen unberührt geblieben zu sein; das trifft doch in
Wirklichkeit nicht ganz zu. Die kindliche Unbefangenheit, die
von einem bewutzten Gefühl, erzogen zu werden, noch wenig be¬
rührt ist, bewegt sich noch völlig frei in dem engen Rahmen
ihrer Anschauungen und Empfindungen. .Hier schon scharfe Ein¬
grenzungen zu ziehen, wäre unpädagogisch und darum unstatt¬
haft. Aber, wie der gesamte Verkehr mit den Kindern, soll auch
das Lesebuch schon aus einen klaren Ton gestimmt sein: mit
dem heiligen Ernst verbindet sich gerne die Fröhligkeit; mit der
emsigen Arbeit verträgt sich gar wohl auch ein Scherz.
Doch auch nach der formalen Seite dient schon das erste
Lesebuch greifbaren Zwecken. „Lautreines, deutliches und gram¬
matisch richtiges Sprechen" — die Phonetik wird aus guten
Gründen nirgends genannt — steht überall obenan; das ist der
grotze und bedeutsame Fortschritt in unserem methodischen An¬
fangsunterricht. Freilich mutz bei dieser Lautschulung der Lehrer
das Beste leisten; aber das Lesebuch soll ihm Helserdienste ent¬
gegenbringen.
Aber auch der Inhalt des Lesebuchs gewinnt aus der engen
Beziehung des deutschen Unterrichts zu Religion und Geschichte
mancherlei Befruchtung. Grundfalsch wäre es, diesen verwandt¬
schaftlichen Austausch zu einer Abhängigkeit oder gar Bevormun¬
dung auswachsen zu lassen. Die Eigenbewegung wird nicht
beeinträchtigt durch eine wohlabgewogene künstlerische Farben-
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