Full text: Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs

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man da thun oder schaffen? Wo Kaufleute einander nicht Glauben 
halten, da fällt der Markt zu Grund. Wenn Bürgermeister, Fürst, 
König die Treue nicht hält, da muß die Stadt verderben, Land und 
Leute untergehen. 
129. Hermann, der Desreier Deutschlands. 
(f 21 nach Christi Geburt.) 
Unter der Negierung des ersten römischen Kaisers Augustus mach¬ 
ten die Römer große Anstrengungen, Deutschland zu erobern. Mehrere 
Kriegszüge hatten sie schon unternommen, und die Gegenden zwischen der 
Weser und dem Rhein waren ihnen dem Anschein nach gänzlich unter¬ 
worfen. Gegen das Jahr 9 nach Christi Geburt führte in Deutschland 
den Oberbefehl ein gewisser Varus, der vorher Landpfleger in Syrien 
gewesen war und dort Jerusalem und das jüdische Land hatte drücken 
und aussaugen helfen. Denn als er dorthin kam, war er arm und 
das Land reich; als er wieder abzog, war er reich, und das Land 
arm. Dieser Mann betrachtete die Deutschen als völlig überwundene Bar¬ 
baren; er hielt schon auf römische Weise Gericht in den deutschen Gauen, 
und was die Deutschen am meisten aufbrachte, er ließ nach römischer 
Sitte die Beile mit den Ruthenbündeln vor sich her tragen, welche ein 
Zeichen seines Rechtes über Leben und Tod und körperliche Züchtigung 
sein sollten. 
Dennoch wurde der Unwille lange nicht laut, und Varus hielt die 
Herrschaft der Römer in Deutschland für gegründet. Aber so dachte Her¬ 
mann, ein edler deutscher Mann vom Stamm der Cherusker, nicht. Das 
Joch eines fremden Volkes mit fremder Sprache und verdorbenen Sitten 
schien ihm so unerträglich, daß es unter jeder Bedingung abgeschüttelt 
werden müsse. Hermann war eines cheruskischen Fürsten Sohn, von 
fürstlicher Gesinnung uni? an Gestalt und Tapferkeit ein wahrer Held. 
Er war als Knabe nach Rom gekommen und hatte die Römer mit ihrer 
Staats- und Kriegskunst, so wie mit allen ihren Lastern genau kennen 
gelernt. Sein Haß gegen das verdorbene Volk, welches sich anmaßen 
wollte, freie Menschen zu Knechten zu machen und dazu mit seinen Lastern 
anzustecken, wurde unauslöschlich. Er kehrte zu seinem Volke zurück, be¬ 
geisterte mit seiner Rede die übrigen Fürsten und Anführer desselben, 
und trat an die Spitze des cheruskischen Bundes, der fast alle west- 
phällschen Völkerschaften umfaßte, um den verhaßten Feinden den Unter¬ 
gang zu bereiten. Varus merkte in seinem selbstgefälligen Hochmuthe 
Nichts. Selbst als ein Fürst der Kalten (Heften) ihm den ganzen Plan
	        
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