64 Erzählungen aus dem Leben zur Erweckung 
In H. wurde aus der Wohnstube eines Hauses ein 
Geldbeutel mit einem Dukaten, einem halben Löuisd'or 
und einiger kleinen Münze vermisst. Weil Niemand, als 
die Magd des-Hauses, in der Stube gewesen war, so 
glaubte man ff ft 7 dass diese das Geld nebst dem Beutel 
gestohlen habe. — Man stellte sie deshalb zur Rede; aber 
dieselbe betheuerte ihre Unschuld und war über solche übcle 
Zumuthung höchst betrübt. Bald darauf kamen auch zwei 
silberne Theelöffel weg; nun ward der Verdacht auf die 
arme Magd noch größer, und sie wurde daher unter einem 
Vorwände aus dem Dienste entlassen. 
Was geschah? Einige Zeit nachher wurde die Ziege 
kränklich, die immer im Hause, und auch in der Stube, 
hatte umher gehen dürfen. — Sie wurde an einen Schlach¬ 
ter verkauft. Als die Ziege nun geschlachtet wurde, fanden 
sich die silbernen Löffel und der Beutel mit deün Gelde in 
dem Magen derselben. Der ehrliche Schlachter schickte 
Alles dem rechtmäßigen Eigenthümer zurück. 
Wer hätte denken sollen, dass die Ziege der Dieb 
gewesen wäre? — 
Wie sehr kann man sich also in solchen Fällen irren!—. 
Ruhtet nicht (nicht lieblos), so werdet ihr auch nicht 
gerichtet. Verdammet nicht (nicht ohne zureichende Gründe), 
so werdet ihr auch nicht verdammt. Luc. 0, 37. 
16. Das dankbare und genügsame Kind. 
^ur Zeit der Theurung ließ ein reicher Gutsbesitzer die 
Kinder seines Dorfes in seinHauö kommen, und sagte zu 
ihnen: Da steht ein Korb voll kleiner Bröte; ein jedes von 
euch nehme eins davon — und so dürft ihr nun alle Tage 
kommen, bis Gott bessere Zeiten schenkt. — Die Kinder 
fielen über den Korb her, stritten und zankten um das Brot, 
weil jedes das schönste und größte haben wollte. Sie gingen 
endlich fort, ohne nur einmal zu danken. Nur Johanne, 
ein armes, aber reinlich gekleidetes Mädchen, blieb in der 
Ferne stehen, nahm das kleinste Brot, das im Korbe blieb, 
reichte dem Manne dankbar die Hand und ging dann still 
und fröhlich heim. Am andern Tage waren die Kinder 
eben so ungezogen und die arme Johanne bekam diesmal 
ein Brötchen, das kaum halb so groß, als die übrigen war. 
Als aber Johanne nach Hause kam und die kranke Mutter
	        
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