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dürfnisse der Bergleute gebraucht werden. Wenn man sich hinabläßt,
so gelangt man zuerst an einen finstern Platz, dessen Entfernung von
der Einfahrt 600 Fuß beträgt. Von hier aus führen verschiedene
Gänge zu einer Treppe von 325 theils hölzernen, theils aus Salz¬
stein bestehenden Stufen. Nachdem man auch diese zurückgelegt hat,
stößt man abermals auf verschiedene Gänge, die zum eigentlichen
Salzwerke führen. Aber wie staunt man beim Eintritte in diesen
wundervollen Bau? Man befindet sich auf einmal in einer neuen Welt,
deren Glanz und Pracht immer alles weit hinter sich läßt, was die
höchste Phantasie nur erdenken kann. Wendet man sein Auge nach
dem Boden, auf dem man steht, so erblickt man eine weite, unüber¬
sehbare und volkreiche Ebene mit Häusern und Heerstraßen, auf wel¬
cher sich Fuhrwerk an Fuhrwerk drängt. Alles wimmelt von Men-
- scheu und man befindet sich in einem eigenen unterirdischen Staate.
Blickt man über sich, so sieht man ein hohes Gewölbe, das auf Säu¬
len von Salzstein ruht und dessen Decke ebenfalls Salzstein ist,
welcher von ferne dem reinsten Kristalle gleicht. Da überall zum
gemeinschaftlichen Gebrauche eine Menge Lichter brennen, deren Glanz,
wie von unzählbaren Spiegeln, zurückgeworfen wird, so gewährt dieses
Schauspiel einen so imposanten Anblick, daß man davon auf der
obern Welt keine Vorstellung hat. Die Strahlenbrechung und das
Farbenspiel des Salzgesteines verursachen an vielen Stellen eine
wunderseltsame Täuschung, und man glaubt sich unter ganzen Massen
von Rubinen, Smaragden, Amethysten und Saphiren zu befinden,
so blendend schön umwandeln den Beschauer die Schattirungen der Regen¬
bogenfarben. Noch bewundernswerther wird dieses Schauspiel dadurch,
daß sich das Farbenspiel bei jedem Schritte, bei jedem Ortswechsel
ändert.
Damit die Gewölbsdecke nicht herabstürze, muß man in gemessenen
Entfernungen Säulen anbringen. Diese Säulen bestehen aus dem
Salzsteine selbst, der entweder massenweise stehen bleibt, indem man
dazwischen hinsprengt, oder man errichtet kunstmäßig von Grund auf
neue Säulen. In beiden Fällen bemüht man sich, denselben eine ge¬
fällige Gestalt zu geben. Auch die Gewölbe sind verschieden geformt,
und man erblickt zum Theil groteske Figuren, die aber immer ein
Werk der Natur sind. Besonders niedlich nehmen sich die Salzstücke
an dem Boden der Gewölbe aus, die in Eiszapfenform herabhangen
und in alle Regenbogenfarben spielen. Selbst da, wo der Fu߬
boden nicht zu sehr betreten und befahren wird, ist er mit Kristalli¬
sationen von derselben Art bedeckt. Hie und da erblickt man Hütten,
theils einzeln stehend, theils gruppenweise. Die Anzahl der Bewohner
dieses unterirdischen Erdstrichs beläuft sich an 500. Daß viele von
ihnen in den Erdschachten, wo sie geboren sind, leben und sterben,