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„Ach, der Krug! der Krug!" sagte ich immer schluchzend; „er war
ganz neu und unser schönster!"
Jetzt kamen wir an den Rand der Oeffnung. Meine Mutter
lag mit ausgebreiteten Armen darüber her und langte nach mir.
Mein Retter hielt mich ihr hin. Mit zitternden Händen faßte sie
mich unter den Armen und zog mich zu sich. Alle Umstehenden ju¬
belten : Alle wollten mich herzen; aber meine Mutter gab mich nicht
vom Arm. Sie hatte mich immer lieb gehabt, die gute Mutter; aber
von dieser Zeit an wurde ich recht ihr Augapfel. Ich durfte sie nicht
verlassen, und wenn sie sich den ganzen Tag mit mir beschäftigt hatte,
glaubte sie doch, ihre Pflicht noch nicht genug gethan zu haben.
Ich habe nachher mehr als einmal von meiner Mutter gehört,
daß, als sie die Worte des Bergmanns: „Danket Gott da oben! ich
habe das Kind!" vernommen, es ihr erst wie ein großer Schrecken
durch das Herz gefahren sei; dann hätte sie es gar nicht für möglich
gehalten und wäre niedergefallen mit dem Angesichte auf die Erde und
hätte nur weinen können. Als aber das Licht wieder in die Höhe
gestiegen sei und sie ihr Kind bei dem schwachen Schein erkannt und
lebendig gesehen habe, wäre es ihr gewesen, als thäte sich der Himmel
auf mit aller seiner Herrlichkeit. Sie habe diesen seligen Augenblick
auch nie wieder vergessen, sondern täglich dafür gedankt.
Meine Mutter war eine sehr fromme Frau und stand auch de߬
halb bei der ganzen Nachbarschaft in großem Ansehen. Gott hat ihr
mancherlei Prüfungen auferlegt; aber nie habe ich sie kleinmüthig ge¬
sehen oder murren hören. Sie sagte oft zu uns Kindern, sie hätte in
allen ihren Leiden recht deutlich Gottes Vaterliebe erkannt; denn alle
wären zuletzt zu ihrem Segen ausgeschlagen. Der Schreckenstag aber,
wo sie mich verloren und wieder erhalten, habe sie erst recht in dem
Glauben an Gottes Güte bestärkt und bestätigt.
223. Der Schmied.
Ein jeder kann seines Glückes Schmied sein; nur
muß er das Eisenschmieden, wenn es warm ist. Wenn
das bei vielen Menschen nur bildlich gilt, so muß es der Schmied
wörtlich nehmen. Ohne Eisen könnten wir keinen Augenblick le¬
ben: Eisentheile rollen ja in unserm Blut und geben ihm die rothe
Farbe. Das Eisen fertigt die Wiege und den Sarg; es fertigt
unsere Häuser, wärmt uns die Zimmer, schließt uns die Thüren,
pflügt unsere Aecker, mäht unsere Wiesen und Felder und schützt
uns, wenn Feinde unsern Heerd und unsere Freiheit bedrohen.
Mit dem Eisen bewahren wir den Huf unserer Pferde. Das
Eisen ist bei den Eisenbahnen und dem Telegraph unentbehrlich.
Unsere Zeit baut Schiffe aus Effen und errichtet eiserne Kirchen