Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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und letzten Schlag mit den vorderen Hufen, zuweilen betäubt er ihn nur, packt 
ihn alsdann ohne Umstände mit den Zähnen in dem Nacken und schleudert ihn 
durchs Gras den Stuten zu, die ihm dann den Pelz so gerben, daß auch nicht 
ein Knochen in demselben ganz bleibt. So machen es die muthigen Hengste, 
und in der Regel sind dies fast alle. Natürlich giebt es auch feige, die bloß 
aus dem großen Haufen vorwüthen. Auch gibt es ungeschickte, die den Wolf 
beim Einspringen verfehlen, und die dann in weniger Zeit, als ein Pferdewichern 
dauert, mit herausgerissener Kehle auf dem Boden liegen und das letzte Gräschen 
Liechen. Denn wenn die Pferde geschickt sind, so ist es der Wolf nicht weniger 
und weiß seine Zeit abzupassen wie der Blitz. 
Diese großen Schlachten der Wolfe und Pferde entspinnen sich jedoch nur 
selten und immer gegen den Willen des Wolfes. Denn seine Kampfführung 
besteht mehr in einem Kosakenkriege, in einem immerwährenden Plänkeln. Ein 
allgemeiner Angriff liegt nie in seinem Plane, und Ueberlistung ist seine Haupt¬ 
kunst, Er verfährt dabei nicht weniger schlau als Meister Reineke. Ganz 
leise und vorsichtig kommt er durchs hohe Gras hergeschlichen und zwar gegen 
den Wind; denn er weiß recht gut, wie unangenehm den Pferden sein Geruch 
ist. Er spionirt sich die Stellung des Tabuns aus. Bald entdeckt er nun 
auch eine Stute, die mit ihrem kleinen zierlichen Füllen etwas abgesondert wei¬ 
det. Wohl hütet er sich jedoch, sogleich spornstreichs hervorzubrechen; er fällt 
nicht mit der Thür ins Haus. Leise und allmählich nähert er sich dem Füllen, 
dessen Manieren er in aller Unschuld sogar nachahmt. Wenn sich das müde 
Junge ins Gras niederlegt, streckt er sich auch nieder und thut ganz unbefangen. 
Indessen wittert doch die Mutter etwas Unheimliches im Grase, erschrickt und 
springt auf. Der Wolf nun legt wie ein Hund die Schnauze auf die Vorder¬ 
füße, macht die freundlichsten Augen von der Welt und wedelt mit dem Schwänze. 
Der Erfolg dieses Manövers ist verschieden. Ist die Alte täppisch und läuft 
unvorsichtig darauf zu; so springt er im Nu ihr an den Hals, reißt ihr die 
Schreigurgel aus der Kehle und läuft mit dem Jungen davon. Zuweilen ist 
aber die Alte eben so vorsichtig als wüthend, macht Lärm und schlägt mit einigen 
herbeieilenden Schwestern den Wolf auf der Stelle in die Flucht. Zuweilen 
aber ist die Alte weder wüthend, noch täppisch, sondern bloß dumm, und denkt, 
wenn sie den schwanzwedelnden Wolf angesehen hat, es sei wohl nur eine fried¬ 
liche Hundeseele, wie ihrer eben so viele, als der Wölfe, in der Steppe umher¬ 
schweifen, weidet ein wenig mit dem Füllen auf der Seite und hegt keinen Arg¬ 
wohn. In diesem Falle siegt der Wolf wieder auf andere Weise. Will die 
Stute sich nicht gleich vollkommen beruhigen, so zieht er sich ein wenig zurück, 
als wolle er nichts mit ihr zu thun haben und ihr das freieste Feld lassen, 
kommt aber auf Umwegen wieder näher und legt sich auf einer Stelle nieder, 
wo ein direkter Weg zum Füllen führt, das indeß müde geworden ist und wie 
ein Osterlämmchen im Grase liegt. Der Wolf wacht indeß bedeutend. Er könnte 
es schon längst erschnappen; aber es liegt ihm nicht bloß am Fangen, sondern 
auch am ruhigen Heimbringen und Verzehren, und dazu hört er immer noch die 
Tritte der Alten zu nahe. So unausgesetzt er auf das Junge schaut, so scharf 
horcht er auf die Stute, die er vor allen Wermuth- und Königskerzenstauden 
längst nicht mehr sehen kann. Denn sie ging indeß, weidend und milchreiche 
Kräuter suchend, weiter und immer weiter. Auf Ein Mal horch I welch Gestrampel 
und Geschnaube! Ach, der Wolf an der Kehle des kleinen niedlichen Füllens! — 
Man muß dabei gewesen sein, um zu wissen, wie schnell er ein solches Thierchen 
zerlegt. Oft bekommt es nicht einmal Zeit zum Strampeln und Schreien, und» 
der Wolf verzehrt es in aller Stille. 
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