§ 5. Der griechische Aufstand. 29
§ 5. Der griechische Aufstand.
Anderer Art, als die Militäraufstände und Konstitu-
tionswirren der romanischen Länder, war die Erhebung
Griechenlands gegen das türkische Joch. Ein rohes Sol¬
datenvolk hatte Jahrhunderte lang die schönsten Länder
von drei Welttheilen, die Wiege europäischer Kultur und
Religion, niedergetreten, ohne daß Eroberer und Besiegte
zu einem eigentlichen Staat verschmolzen: sie blieben ge¬
trennt durch Religion, Sprache nnd Sitte. Da waren
die rumänischen Walachen, Südslaven nnd slavisirte Ta¬
taren (Bulgaren), mit Slavenblut vermischte Griechen,
nnd die uugebändigten, zersplitterten Stämme der Ar-
nauten oder Schlipetaren, alle auseinandergezerrt und
weder mit einander, noch mit dem herrschenden Volke
durch einen Kitt verbunden. Am schwersten empfand man
die Blutsteuer, durch welche s. 1650 jedes fünfte Kind
dem Sultan zum Janitscharendienst verfallen war. Wohl
hatte der Druck, der auf der christlichen Herde (Raja)
lastete. Viele, wie den bosnischen Adel zum Islam be¬
kehrt; doch bei den Meisten hat die zäh festgehaltene Re¬
ligion die Hoffnung wach erhalten und wiederholt zu Be-
freiungsversnchen angespornt, namentlich seit dem Auf¬
steigen der glaubensverwandten russischen Großmacht.
Schou Orlosf hatte 1770 (III, 443) alle Griechen
zur Freiheit und Religionsvertheidigung aufgerufen; seit
dem Frieden von 1774 hatte sodann der russische Handel,
durch Griechen vermittelt, einen gewaltigen Aufschwung
gewonnen und Odessa fast zu einer griechischen Kolonie
erhoben. Besonders waren es drei Eilande Adra, Spetzä
und Psara, welche Schifffahrtsvereine bildeten, und Hun¬
derte von Kauffahrern ausrüsteten, deren Mannschaften
ohne Karten oder Kompaß die Meere durchflogen und
große Reichthümer anhäuften. Die Wohlhabenden aber
stifteten Schulen nnd verbreiteten Bücher, und ihre Söhne
mußten in Paris, Wien, Livorno rc. sich europäische
Kenntnisse erwerben. Dann hatte Napoleon 1797 dem