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Dkr ganze Körper besteht aus Ringen, etwa 100—145 an der Zahl,
welche alle beweglich sind.
Am Vorderende befindet sich der Mund; er wird vom ersten und
zweiten Ringe gebildet. Der erste, größere Ring bildet die Oberlippe, der
zweite und kleinere die Unterlippe; diese ist riisselartig verlängert. Der Mund
dient übrigens nicht bloß zum Fressen, sondern auch zum Durchbrechen
und Durchbohren der Erde.
Füße sind an dem Regenwurm nicht zu entdecken; aber an der Unter¬
seite jedes Ringes stehen paarweise 8 kleine Warzen, welche mit kurzen,
nach hinten gekrümmten Borsten besetzt sind. Diese bilden 8 Längsreihen
und dienen dem Thiere statt der Füße, denn es kann sich aufrichten, sich ba¬
nnt anhalten und seine Fortbewegung, welche durch Ausdehnen und Zusam¬
menziehen des Körpers bewirkt wird, damit unterstützen. An großen Regen-
würmern sieht man diese Borsten recht deutlich; sie sind stets nach unten ge¬
richtet und legt man einen Wurm auf den Rücken, so dreht er sich doch
gleich so, daß die Borsten nach unten kommen.
Zwischen den Ringen entdeckt man kleine Oeffnungen, welche theils
Luft in den Körper führen, theils eine schleimige Feuchtigkeit absondern, die
die Oberhaut schlüpfrig macht.
Knochen hat der Regenwurm nicht, wohl aber einen Darm, der vom
Munde bis gegen das Körperende geht, eine kugelförmige Erweiterung hat
und von außen wegen seines Inhalts oft schwärzlich aussiebt.
Der Aufenthalt des Regenwurms ist bekanntlich die Erde; in feuch¬
tem und fettem Erdreiche befindet er sich besonders wohl. Man trifft ihn
zahlreich unter Brettern, Steinen, Baumwnrzeln und im Dünger. An der
Oberstäche der Erde hält er sich nur bei feuchter und warmer Witterung auf;
dann kömmt er des Nachts aus seiner dunklen Kammer hervor, um sich an
der Feuchtigkeit zu erquicken und sonst Futter zu suchen (auch um seinen
Unrath von sich zu geben, wovon man an warmen Morgen oft viele Häuf¬
chen, mit Erde bedeckt, sieht, und um sich zu paaren). Vor Sonnenaufgang
kann man sie, um den Garten von ihnen zu säubern, in großer Menge
auflesen; nur muß man leise auftreten, denn wenn sie auch weder sehen,
noch hören, so nehmen sie doch die geringste Erschütterung wahr und ver¬
kriechen sich rasch. Enten und Hühner lesen sie des Morgens früh auch sehr
sorgsam von den Beeten ab, ebenso Elstern und Raben; ihre schlimmsten
Feinde sind aber Maulwürfe, Spitzmäuse und Igel. Gärtner und Fischer
sammeln sie oft des Nachts, indem sie mit einer Laterne umhergehen; die
Fischer benutzen sie als Flschköder.
Von trockener Wärme und strengem Winterfrost ist der Regen¬
wurm kein Freund; er geht dann tiefer in die Erde hinein, im Sommer
2—3 Fuß, im Winter 8—10 Fuß tief. Im Wasser, im Sonnenschein und
im Froste stirbt er. Besonders schädlich ist ihm Salzwasser; wo man einen
Eimer Salzwasser hingicßt, da kommen die Regenwürmer ängstlich hervor
und sterben.
Der Regenwurm ist ein schlechter Nußknacker, denn, was härter ist, als
fette Erde, faulende Pflanzentheile, zarte Wurzeln und Blätter,
das muß er stehen lassen. Deßhalb hat er es besonders auf die Wurzeln
des Grases und Getreides abgesehen und richtet auf Aeckcrn und Feldern
großes Unheil an, wenn ihn der Maulwurf und die Spitzmaus nicht stört.
Im Herbste scheint er eine Vorahnung des Winters zu haben; wenigstens
zieht er die schmalen Weidenblätter an den Stielen in seine Löcher, >o daß