Full text: Theoretisch-praktisches Handbuch für den Anschauungsunterricht

449 
4. Kranke und schwächliche Leute bedienen sich des WasscrS als Heil¬ 
mittel; sie baden im Wasser (Bad — in's Bad reisen) oder trinken Wasser 
(Gesundwasscr, Gesundbrunnen, Selterwasser). 
Das Waffer. 
Für eine obere Abtheilung. 
Heute bemerkt ihr auf meinem kleinen Tische nichts Besonderes, nur ein 
gewöhnliches Medizinglas, zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Ueber welchen von 
diesen beiden Theilen wir sprechen wollen, fragt ihr? — Ueber den, mit 
welchem ihr schon oft im Guten und im Bösen Bekanntschaft gemacht habt, — 
über das Wasser. Oder war es nicht im Guten, wenn ihr im heißen 
Sommer ein erfrischendes Wasserbad im See oder Fluß nahmt? Wann aber 
war es im Bösen? Vielleicht daö kalte Winterbad, wenn das Eis unter 
euren Füßen brach? Oder der endlose Herbstregen, der dem Spielen im 
Freien ein Ende machte? 
Gewiß glaubt ihr Alle, das Wasser hinreichend zu kennen, da ihr 
täglich im Sommer und im Winter damit umgeht. Aber ihr irrt euch; 
nicht Einer unter euch kann mir meine erste Frage beantworten: Was ist 
das Wasser? 
Ihr schweigt, wie ich mir's dachte. Aber nun halte ich das Glas hier, 
in welchem bisher das Wasser ruhig und bewegungslos gestanden ist, schräge. 
Ihr bemerkt, daß ein Theil herausläuft oder besser herausfließt. Wäre mein 
Glas mit Holz oder Thon angefüllt, die würden nicht herausfließen; das 
Fließen ist also eine Eigenthümlichkeit des Wassers, wohl geeignet, eine 
Antwort auf den fragenden Nennsatz: Was ist das Wasser? zu bilden. 
Was fließen kann, heißt eine Flüssigkeit, also: das Wasser ist eine Flüs¬ 
sigkeit; — als Beschreibungssatz ausgedrückt: das Wasser ist flüssig; — 
als Thätigkeitssatz: das Wasser fließt oder kann fließen. 
Wenn wir darüber in's Klare gekommen sind, daß Holz und Thon 
nicht fließen, weil ihre Theile zu fest mit einander verbunden sind oder zu 
viel Zusammenhang haben, so wissen wir auch, weßhalb das Wasser 
fließen kann. Seine Theile haben nur geringen Zusammenhang und 
können ohne sonderliche Mühe von einander getrennt und in einander ver¬ 
schoben werden. Körper mit starkem Zusammenhang heißen feste Körper; 
Holz und Thon sind feste Körper; das Wasser aber ist eine Flüssigkeit, — 
ein flüssiger Körper. — Ihr wißt schon, daß unter Umständen die Theile 
des Wassers stärkern Zusammenhang gewinnen können, — im Winter bei 
Frostwetter, durch die Kälte; dann ist auch das Wasser ein fester Körper. 
Leicht könnt ihr nun meine Näthselfragen beantworten, — die Mädchen: 
Wie kann man Wasser in der Schürze tragen? — und die Knaben: Wie 
schreibt man festes Wasser mit drei Buchstaben? 
Nun glaubt ihr meine Frage: Was ist das Wasser? genügend beant¬ 
worten zu können. Eine Flüssigkeit, sagt ihr. Aber weit gefehlt, denn diese 
Erklärung paßt auch auf E>sig und Sprup, auf Rothwein und Vier, ja selbst 
auf die Luft. Oder sind dieses keine Flüssigkeiten? Zst nicht besonders die 
Luft so sehr flüssig, daß sie durch die feinsten Ritzen Hindurchzuströmen verinag? 
Die Luft ist ohne Zweifel eine Flüssigkeit, so gut, wie das Wasser, aber doch 
anders flüssig. Beobachtet nur das Wasser, indem ich es langsam auofließen 
lasse. Es tritt ein rundlicher Wassertheil zum Glase heraus, wird größer, je 
29
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.