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III. Heroen oder Halbgötter.
und Lehrer der Buchstabenschrift, die er aus dem Oriente mit¬
gebracht haben sollte.
Bei Penthens' Tode und der Flucht des Kadmos war dessen
Enkel Labdakos noch minderjährig, weshalb die Herrschaft Thebens
auf Uykteus überging. Dieser hatte von der Göttin von Theben,
Thebe, eine Tochter Antiope (die in anderen Sagen Tochter des
Flußgottes Asopos heißt), der sich Zeus iu heimlicher Liebe ge¬
sellt. Als dies Nykteus merkte, wollte er Antiope töten, die aber
vor ihm entfloh und, nachdem sie in einsamer Wildnis am Kithäron
von Zwillingen entbunden war, zum Könige Epopeus von Sikyou
kam. Ihre Söhnchen, welche die Namen I.mphion und Jethos
erhielten, vertraute die unglückliche Mutter einem am Kithäron
weidenden Hirten an, unter dessen Pflege sie, die Söhne des
Zens, herrlich und kräftig, aber durchaus unbekannt und für
Hirtenknaben gehalten, heranwuchsen. Antiope selbst aber fand
bei Epopeus in Sikyon nur kurzen Schutz, denn ihr Vater Nykteus
gab seine Rache gegen sie nicht ans, sondern übertrug dieselbe, als
er bald daraus starb, auf seinen Bruder iTl)ho0, der nach ihm
die Herrschaft in Theben während Labdakos' Minderjährigkeit
führte. Dieser eroberte Sikyon und nahm Antiope wieder mit
sich nach Theben. Und hier begannen für das arme Weib
neue Qualen.
Lykos selbst freilich behandelte sie sehr gut, vielleicht zu gut,
so daß er die Eifersucht seiner Gemahlin Dirke erregte, und diese
peinigte die Antiope, welche sie zn einer Sklavin machte, ans jede
erdenkliche Weise. Viele Jahre ertrug Antiope ihr hartes Los,
endlich aber, als sie merkte, daß Dirke ihr gar nach dem Leben
trachtete, entfloh sie abermals und kam wieder an den Kithäron,
wo sie von ihren Söhnen, ohne daß diese sie oder sie selbst ihre
Kinder erkannt Hätte, gastlich aufgenommen wurde. Bald darauf
aber führte eine bacchische Feier auch Dirke an den Kithäron.
Hier fand sie ihre entlaufene Sklavin und beschloß nun, diese aus
die grausamste Weise zu töten. Sie befahl demgemäß als Königin
den beiden vermeintlichen Hirtenjünglingen AmpHion und Zethos,