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157. Die Commrmicanten.
Ein Paar Eheleute wollten zum Tische des Herrn gehen oder
das heilige Abendmahl empfangen. Da sagte die Frau zu ihrem
Manne: „Ach, lieber Mann, ich bitte dich, vergieb mir alles, wo¬
mit ich dich etwa beleidigt habe!" Er antwortete: „Vergieb auch
mir, denn ich vergebe dir von Herzen, und bitte dich, mich zu er¬
innern, wer sonst noch etwa über uns unzufrieden sein möchte, daß
wir hingehen und uns versöhnen! Denn Gott vcrgiebt nur denen
die Sünde, die ein liebevolles und versöhnliches Herz gegen ihren
Nächsten haben."
158. Glaube, Liebe, Hoffnung. 1. Cor. 13, 13.
1. Was ist das Göttlichste auf dieser Welt? Was hält »ns auf¬
recht im Gewand von Staube? Was ists, das hier schon Engeln uns
gesellt? Es ist das Geistigherrlichste: der Glaube!
2. Wodurch sind wir dem Schöpfer selbst verwandt? Wie nen¬
nen wir den süßesten der Triebe? Was ist der Zukunft Freuden schön¬
stes Pfand? Es ist des Herzens Seligkeit: die Liebe!
3. Was mahnt in Leiden sanft uns zur Geduld? Wodurch sehn
wir schon hier den Himmel offen? Wo ist des ewgen Vaters höchste
Huld? Es ist der Seele reinste Labung: Hoffen.
4. O möchten doch durch jeden Lebenskranz sich diese Blumen
fromm und freudig winden! In ihrem milden nie umwölkten Glanz
läßt sich das Paradies leicht wieder finden.
II. Vermischte Lesestücke.
A. Kleine Erzählungen und Fabeln.
159. Das Rothkehlchen.
Ein Rothkehlchen kam in der Strenge des Winters an das Fenster
eines frommen Landmanns, als ob es gerne hinein möchte. Da öffnete
der Landmann sein Fenster und nahm das zutrauliche Thierchen freund¬
lich in seine Wohnung. Nun pickte es die Brosamen und Krümchen
auf, die von des Landmanns Tische fielen. Auch hielten die Kinder im
Hause das Vögelein lieb und werth. Aber als nun der Frühling wie¬
der ins Land kam, und die Gebüsche sich belaubten, da öffnete der Land-
mann sein Fenster, und der kleine Gast floh in das nahe Wäldchen,
baute sein Liest und sang sein fröhliches Liedchen.
Der Winter aber kehrte wieder, und siehe! da kam das Rothkehlchen
abermals in die Wohnung des Landmanns und hatte sein Weibchen mit¬
gebracht. Der Landmann sammt seinen Kindern freuten sich sehr, als
sie die beiden Thierchen sahen, wie sie aus den kleinen Aeuglein zutrau¬
lich umherschauten, und die Kinder sagten: „Die Vögelchen sehen unS