Full text: Deutsches Lese-, Lehr- und Sprachbuch für Schule und Haus

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13. Der zufriedene Hausvater. 
Als in den ersten mühsamen Jahren seiner Wirtschaft Wil¬ 
helm mit seiner Fran und Kindern sich sehr genau behelfen mußte, 
pflegte er durch seine Fröhlichkeit und sein Gottvertranen sein gan¬ 
zes Hans zu erbauen. Wenn er vor dem Tische, als Hausvater, 
betete, wählte er immer solche Sprüche der Bibel, die ermuntern und 
trösten konnten. Eins von seinen Gebeten war folgendes: „Herr 
Gott, der du mit wenigem oft viele satt machest, und wo zwei oder 
drei von deinen Kindern versammelt sind, mitten unter ihnen bist, 
erhöre mein Gebet! Segne uns diese Speise, deine Gabe, daß sie 
uns gedeihe zum frommen und arbeitsamen Leben." Als einstmals 
theure Zeit war, da hatte Wilhelm nicht viel, aber andere hatten 
doch noch weniger; dann sorgte er, daß auch die Armen Teilnah¬ 
men an seiner Mahlzeit. „Sollten wir nicht leben können", sprach 
er zuweilen zu seiner Frau und seinen Kindern, „wenn wir auch 
einmal nicht vollauf hätten? Wir wollen cs lieber denen gönnen, 
die gar noch nicht gegessen haben." Dann trugen die Kinder mit 
Freuden die Speiseil den Armen hin, und Segen und Gedeihen 
war in Wilhelms Hause. 
14. Der Herr Huts gegeben, der Herr hals genommen, der 
Name des Herrn sei gelobt. 
Ein Edelmann zog mit seinem Weibe und zwei Söhnen auf 
ein Schloß, welches all einem See lag. Der Edelmann hatte sonst 
keine Kinder, ohne diese beiden Söhne; an Gut aber war er sehr 
reich. Um die Erntezeit, da Knechte und Mägde zu Felde waren, 
und niemand daheim blieb, als Vater lind Mutter und die bcibcu 
Söhne, wollten diese beiden sich kühlen im schönen klaren Wasser, 
und der Vater sah ihnen vom Hanse herab zu. Da gerieth der 
eine in eine Tiefe, sank lind ertrank, und weil das Wasser lauter 
und hell war, konnte der Vater sehen, wie er sich gegen den Tod 
wehrte. Der andere Bruder will ihm zu Hülfe kommen, und da 
er hinzucilt, sieht ihn der Vater gleichfalls jämmerlich ertrinken, 
und war kein Mensch vorhanden, der den beiden Söhnen hätte 
Hülfe leisten können. 
Zwei Stunden lang weint der Vater, wäscht sich dann und 
verbirgt seine Bekümmerniß, so gut er vermag, geht zu seinem 
Weibe uub spricht: „Sage mir, liebes Weib, womit wolltest bu 
einen trösten, wenn bu sähest, wenn er wollte der köstlichsten Dinge 
eines beweinen, da man doch dasselbe weder durch Reichthum, noch 
Rath, noch aller Freunde und Verwandten Hülfe möchte wieder 
bekommen?" Die Heldin antwortete: „Ich wollte ihm rathen, daß 
er seinen Willen dem göttlichen mit Ehrerbietung solle unterwerfen 
und also mit Geduld' und Mäßigkeit dasselbe dulden und tragen, 
weil Gottes Wille kein Warum? hat und allezeit ein gnädiger 
Wille ist." Da fängt er abermals heftig an zu weinen und sagt: 
„Der Herr Jesus gebe dir dieselbe Gnade, deren ich jetzt hochbc-
	        
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