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in oen Waffen wohlgeübt und mit allem Kriegszcuge aufs beste verse¬
hen. Aber Gott setzte dem stolzen Eroberer sein Ziel. Zwar mußten
die Russen nach mehreren tapfern Gefechten das Feld räumen; sie zogen
sich tief in das Land hinein nach Moskau, der alten Hauptstadt, indem
sie alles hinter sich her verheerten. Napoleon folgte ihnen dorthin; da
ereilte ihn die göttliche Gerechtigkeit. Am 14. September 1812 war er
siegestrunken in das alte Schloß der russischen Kaiser, den Kreml, ein¬
gezogen; aber schon in der folgenden Nacht brachen über seinem Haupte
Flammen aus, welche die ganze Stadt in Asche legten. Die Russen
hatten die Stadt selber angezündet, um ihm das Bleiben zu verlei¬
den. Nun war Napoleon zum Rückzug genöthigt. Ende Oktobers trat
er ihn an. Darauf hatten die Russen gewartet: mit den Schwärmen
ihrer Kosacken verfolgten sie den fliehenden Feind, ließen ihm keine Ruhe
weder bei Tage noch bei Nacht, und wer sich von dem Hauptheere ent¬
fernte, wurde niedergemacht. Da brach Tod und Verderben noch furcht¬
barer herein: früher als sonst trat in den öden Steppen Rußlands ein
harter Winter ein. Die fliehenden Scharen hatten keinen Schutz gegen
seine Strenge; ihre Kleider waren zerrissen; die Füße, halb entblößt, zit¬
terten auf dem kalten Schnee; die Dörfer und Städte waren verwüstet;
nirgend ein Obdach gegen den furchtbar schneidenden Wind; kein Bissen
Brot, den Hunger zu stillen. An jedem Morgen lagen zu Haufen Er-
frorne um die ausgebrannte» Wachtfeuer. Die ermatteten Krieger konn¬
ten sich kaum weiter schleppen; Tausende blieben zurück und fielen bou
den Waffen der Russen oder wurden eine Beute der Wölfe. Als das
erschöpfte Heer über die Beresina zog, da brachen die Brücken, und Tau-
sende fanden in den Fluten ihr Grab. — Da verließ Napoleon heimlich
das Heer und fuhr in einem Schlitten nach Frankreich. Die Hand des
Herrn hatte ihn getroffen. Der hatte gesagt: Bis hierher und nicht wei¬
ter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen.
160. Der Deutschen Erhebmlfl.
Aus dem Verderben Napoleons in Rußland Erkannte das deutsche
Volk, daß Gott nun die Schmach von ihm nehmen und die Völkergeißel
zerbrechen wolle. Da erließ zuerst der König Friedrich Wilhelm III.
von Preußen einen Aufruf an sein Volk, in welchem er es zu deit
Waffen forderte. Preußen und Rußland verbündeten sich gegen die
Franzosen; bald traten England und Schweden und sodann auch Oester¬
reich bei. Männer und Jünglinge griffen zur Wehr; edle Geschlechter
opferten dem Vaterlande ihre Kleinodien und ihr Geld, und arme Hand¬
arbeiter ihren kärglichen Wochenlohn. Ueberall drängte sich die rüstige
Jugend heran. Auch England sandte Waffen und Kleidung.
Die Knechtschaft war gebrochen, und in mancher blutigen Schlacht
(z. B. bei Groß-Görschen, Bautzen, Großbeeren, Dennewttz, an der Katz-
bach) wurden blutige Lorbeeren geerntet.
Auch die Lüneburger jubelten mit und griffen das Werk an mit
Freuden. Da nahten von Uelzen her 300 französische Reiter. In der
Stadt tönten die Sturmglocken, alles griff zu den Waffen; die Bauern