Full text: Deutsches Lese-, Lehr- und Sprachbuch für Schule und Haus

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schwer; als wären es Pfundsteine, fielen sie auf die dürren 
Schindeln. 
„Jetzt, Mutter," sagte Johannes, in die Stube tretend mit 
seinen Leuten, „jetzt istö unter Dach, Mutter, und alles ist. gut ge¬ 
gangen; mag cs jetzt stürmen, wie cs will, und morgen schönes 
oder böses Wetter sein, ich Habs unter meinem Dach." — „Johan¬ 
nes, aber über deinem Dach ist des Herrn Dach." sagte die Mut¬ 
ter feierlich; und als sie das sagte, ward cs hell in der Stube, 
daß man die Fliegen sah an der Wand, und einJDonner schmet¬ 
terte'über dem Hause, als ob dasselbe mit einem Streiche in Mil- 
lionen Splitter zerschlagen würde. „Herr Gott, es hat eingeschla¬ 
gen!" rief der erste, der konnte; alles stürzte zur Thür hinaus. 
Das Haus stand in vollen Flammen; ans dem Dache heraus 
brannten bereits die eingeführten Garben. Wie stürzte alles durch 
einander! Die alte Mutter allein behielt die Besinnung; sie griff 
nach ihren beiden Krücken, sonst nach nichts, suchte die Thür und 
einen sichern Platz und betete: „Was hülfs dem Menschen, wenn 
er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner 
Seele! dein und nicht mein Wille geschehe, o Pater!" 
Das Haus brannte ab bis auf den Boden; gerettet wurde 
nichts. Auf der Brandstätte stand der Bauer und sprach: „Ich 
Habs unter meinem Dache! Aber über deinem Dache ist des Herrn 
Dach. hat die Mutter gesagt!" Und seit dieser Stunde spricht er 
nichts mehr, als: „Ich Habs unter meinem Dache! Aber über 
deinem Dache ist des Herrn Dach, hat die Mutter gesagt!" 
26. Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. 
An Sonn- und Festtagen pflegte Wilhelm eine halbe Stunde 
vorher, che die Predigt anging, sich von allen Geschäften zu entfer¬ 
nen-und die Epistel oder das Evangelium dnrchznlesen und darüber 
nachzndcnken. Wenn er zur Kirche ging, dann vermied er allerlei 
Geschwätz von Neuigkeiten vor der Kirchthür, und ging deswegen 
nicht eher als bis cb eben Zeit war, aber auch nicht so spät, daß 
er etwa das Anfaugslied versäumt hätte. Sein Gemüth war vor¬ 
bereitet, und er war begierig, was über die Worte, deren Inhalt 
er nach dem Maße seiner Einsichten sich schon selbst ausgelegt hatte, 
der Prediger ihm noch für bessere Erkenntniß verschaffen würde. 
In der Predigt schlief er nicht oder hatte etwa fremde Gedanken, 
sondern er war beständig bemüht, mit dem Prediger fortzudenken 
und den Gang der Rede zu verfolgen. Und daher kam es nun, 
daß er so viel aus der Predigt behalten hatte und nachher sie mit 
seinen Kindern wiederholen konnte. Davon hatte aber nicht allein 
er selbst, sondern auch sein ganzes Haus wahren Vortheil, denn 
jeine Kinder behielten Gott ihr Lebelang vor Augen und im Her¬ 
zen, und sein Gesinde wurde treu und gewissenhaft.
	        
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