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Lebtag nicht geglaubt, daß einem der Sonntag so weh thut und
die Seel' so druckt, wenn man ihn nicht hat." Und nun schwie¬
gen beide und dachten an ihre Heimat, und es stand ihnen ihr
Dorf vor der Seele mit den blauen Bergen weit hinaus, und die
grünen Wälder und Felder, und hier und dort wird geläutet, und
über die Wiesen und durch die Büsche gehen die Kirchlente; und
nachher wird alles still draußen, nur die Hirten und die Herden
und die Bögel sind noch da, und die Sonne scheint friedlich.
Dies ging eins nach dem andern bcu Beiden durch die Ge¬
danken. Aber unter ihnen rauschten unb plätscherten die Wellen
an den Seiten des Schiffes. Und wie sie so daran in ihrem Her¬
zen gedachten, wards ihnen-inwendig heiß und heiß jum Weinen.
Da stand der eine auf, ging an seine Kiste, schloß sie auf und
nahm eine Bibel und ein Gesangbuch heraus unb kam wieder zu
seinem Kameraden. Unb er las die Epistel und das Evangelium
desselben Sonntags vor, unb darauf betete der andere das Glau¬
bensbekenntnis;. llnb darauf schlugen sie das Gesangbuch auf und
huben cm mit lauter Stimme zu singen: „Wer nur ben lieben
Gott läßt walten und hoffet auf ihn allezeit —". Es waren aber
noch andere Auswanderer aus Deutschland mit auf dem Schiffe.
Wie die das deutsche Kirchenlied hörten mitten auf dem Meere,
geht ihnen das Herz auf und sie kommen herzu unb stellen sich im
preise um unsre beiden Bauersleute unb singen mit, ihr Haupt
entblößend. Und der Gesang kam immer kräftiger aus Herzens¬
grund und schallte weithin in die See hinaus, unb das Meer
rauschte darein wie eine Orgel. Da schwebte der Geist Gottes auf
den Wassern. Die beideit Bauersleute aber und alle die andern,
die zugegen waren, hatten sich das Trauern aus der Seele heraus-
gesuugeu, und es war ihnen selig 311 Muthe, als wären sie daheim
im theuren Baterlande. — Darum merke: wenn du wandern gehst,
so nimm deinen heiligen Glauben mit und beine Bibel und beut
Gesangbuch. Denn in diesen dreien liegen die echtett Herrlichkeiten des
deutschen Vaterlandes. Wer aber ohne die auszieht, sann wandern
bis aus Ende der Welt und findet nimmer eilte Heimat.
29. Wohin die Beruachlüssignug des öffentlichen Gottesdienstes
führt.
Zwei Jünglinge, mit Namen „Nandoms", Söhne von vor-
trefflichen, sehr wohlhabenden Eltern, die sie im christlichen Glau-
beit crzogett undj zum Besuche des öffentlichen Gottesdienstes sorg¬
fältig angehalten hattet!, wurden nach Leipzig geschickt. Ein Freund
des Jüngsten erzählt davon also:
Der jüngste Nandomö studierte; er war ein fleißiger, frommer
und guter Mensch/ den ich wegen gleicher Gesinnnug bald so lieb
gewann, daß wir zusammen au; eine Stube zogen und zwei Jahre
sehr einträchtig mit einander lebten. Sein ältester Bruder kam als
Diener in citte sehr ansehnliche Handlung, sollte etliche Jahre da