Full text: Deutsches Lese-, Lehr- und Sprachbuch für Schule und Haus

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die Kirche, den einzigen Ort, wo sie doch noch etwas Gutes hatten 
hören und von ihrem Unrecht hätten überzeugt werden können. 
Aber bei allem diesen Trachten nach ungerechtem Oute blieben sie 
doch arm und waren, wie schon gesagt, in der ganzen Gegend ver¬ 
achtet. 
63. Die bösen Scheundrescher. 
Ein Herr hatte ein Gut, auf welchem viele Tagelöhner wohn¬ 
ten. Damit diese Leute Brot haben sollten, ließ er unter anderm 
alles Getreide um Himtenzahl, das ist, etwa um den vierzehnten 
Himten, von diesen Tagelöhnern ausdreschen, obwohl er vermittelst 
einer Dreschmaschine billiger und schneller dazu kommen konnte. Er 
hatte sic oft ermahnt, rem auszudrcschen itub keine Frucht zu ent¬ 
wenden. Sie aber thaten keins von beiden. Ans Faulheit dro¬ 
schen sie nicht rein aus, und jeder trug alle'Tage, mittags und 
abends, seine beiden großen Kitteltaschen voll Korn nach Hanse. 
Der Herr merkte dieses.lange nicht; endlich aber ward cs entdeckt, 
und acht von ihnen wurden dabei betroffen. Sie sagten, als sie 
darüber vernommen wurden, es wäre ja nur eine Kleinigkeit, und 
baten, es darum nicht so genau zu nehmen; aber der Herr ließ die 
Taschen nachmessen, und da fand sich, daß jeder gar leicht einen 
Mühlcukopf voll Frucht darin verbergen konnte, was von acht 
Dreschern täglich zwei Himten ausmachte. So waren nach und 
nach etwa 100 Ht. entwandt, was nach den Kornpreisen nahe an 
150 Rthlr. ausmachte. Sie wurden als Hanödiebe zu schwerer 
Strafe gezogen und die andern verloren durch sie den Verdienst tu 
der Scheune; denn der Herr schaffte nunmehr eine Dreschmaschine 
an und brauchte weniger Leute. Da beschwerten sich die andern 
Tagelöhner, die es wohl gewußt hatten, nur aber des Diebstahls 
selbst nicht überführt werden konnten, daß fie darunter leideil mü߬ 
ten. Der Herr antwortete aber: „Ihr habt es euch selbst zuzu¬ 
schreiben, denn ihr habt es gewußt und nicht angegeben. Wie 
kann ich euch trauen?" 
64. Du sollst deines Nächsten Grenze nicht znriick treiben. 
5. Mos. 19, 14. 
Ein Offizier hatte ein Gut, wohiil er aber seines Dienstes 
wegen selten kam und das daher durch einen Verwalter bewirt¬ 
schaftet wurde. Dieser hatte einen Bruder in dem Orte, der Acker¬ 
mann war. Diese beiden wurden eins, die Herrschaft zu betrügen. 
Der Ackermann Pflügte alle Jahre da, wo er an den herrschaftlichen 
Acker grenzte, etwas Land ab, und den Grenzpfahl von den herr¬ 
schaftlichen Wiesen, die an seine Wiese stießen, schlug er alle Jahr 
einen Schritt weiter. Als er aber einst cm seiner Wiese Weiden 
köpfte, stürzte er mit de,r Leiter um und fiel auf den Grenzpfahl, 
ben er früher verrückt hatte. Die Nippen waren entzwei und er 
litt große Schmerzen. Da ließ er den Prediger kommen und be-
	        
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