Full text: Deutsches Lese-, Lehr- und Sprachbuch für Schule und Haus

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neigen anfingen, da sprach eine Feldlerche zu ihren noch unbefieder¬ 
ten Jungen: „Bald wird man ernten, und wir müssen uns wohl 
um bessere Sicherheit bekümmern — darum gebt wohl acht, was 
gesprochen wird, wenn der Herr die Ernte besieht und sagt cs mir, 
. weiln ich vom Bache zurück komme." Die alte Lerche flog fort. 
Indes kam der Herr mit seinem Sohne, das Feld zu besehen. 
„Sieh, mein Sohn, sprach er, das Korn ist ja schon reif — was 
verschieben wir länger die Ernte? — Gehe du eilend hin zu unse¬ 
ren Freunden und bitte sie, daß sie morgen früh kommen lind uns 
ernten helfen." — Als die alte Lerche zurück kam, da schlugen die 
Kleinen ihre Flügelchen zusammen und meldeteil mit Zittern die 
bevorstehende Gefahr. „Seid ruhig, Kinder, antwortete die Alte, 
„die Frennde drängen sich eben nicht nach Arbeit lind Mühe. Ge- 
illig, morgen wird nichts geerntet. Gebt nur ferner,Acht, was ge¬ 
sprochen wird." — Am andern Tage flog sie wieder, wie gewöhn¬ 
lich, zuiil Wasser. Die Soilne schien schon heiß, uild der Herr, 
der lange vergebens auf die Freunde gewartet hatte, rief endlich 
seiilen Sohn und sprach: „Das sind schlimme Zauderer, unsre 
Freunde, oder sie kommen wohl gar nicht. Lauf du lieber hin lind 
sage es bciueii Schwägern und Bettern, daß sie morgen früh her¬ 
kommen lliid ulis helfen." — Als die alte Lerche wieder kaiii, da 
war neue und größere Furcht bei den Jungen. „Nun hat der 
Herr," riefen sic, „zu den Schwägern und Vettern geschickt. — 
Ach, Mutter, eile, briilge uns fort, sollst ernten sie und greifen 
ilils." - „Die Vettern uub Schwäger," antwortete die alte Lerche 
„die vertreiben ilils auch noch nicht. Noch hat es keine Noth." — 
Und in der That, als der dritte Morgen erschien, da kanl weder 
Vetter, iloch Schwager. Null ward der Herr des Korns nngednl- 
dig, rief seinen ^>ohn und sprach: „Nein, das ist zll viel! Ver¬ 
lasse sich ja keiner auf andere. Gehe hin, mein Sohn, hole dir 
eine Sichel und mir eine. Wir wollen selbst darall gehen. Wenil 
das Koril noch länger steht, fällt es am Ende gar ails." Als die 
alte Lerche dieses hörte, sprach sic: „Nun Kinder, ist nicht länger 
$u warten. — Jetzt wird es Ernst!" — Hub daraus eilte sie mit 
ihren Jungen in die nächste Gerste, die noch grün war. 
82. Morgenstunde hat Gold im Munde. 
Die Sonne war aufgegangen und stand mit ihrer schönen 
gläilzcllden Scheibe am Himmel. Da schickte sie ihre Strahlen 
aus, um die Schläfer im ganzeil Lande zu wecken. Da kam ein 
Strahl zllr Lerche. Sie schlüpfte aus ihrem Neste, flog in die Lllft 
hinauf lind sang: Liri lirili, schön ists in der Früh. Der zweite 
Strahl kam zu dem Häschen und weckte cs auf. Das rieb sich 
die Augen nicht lange, sondern sprang aus dem Walde auf die 
Miese und suchte sich zartes Gras und saftige Kräuter zu seinem 
Frühstück. — Und ein dritter Strahl kam an das Hühnerhaus. Da 
rief der Hahn: Kikeriki! und die Hühner flogen von ihrer Stange
	        
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