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Da that die Frau einen Blick gegen den Himmel und konnte Nichts 
sagen vor Dankbarkeit und Rührung, und das Geld wurde nachher richtig und 
ohne Anstand von dem Zahlamte ausgezahlt, und der Doctor verordnete ihr 
eine Mixtur, und durch die gute Arznei und die gute Pflege, die sie sich ver¬ 
schaffen konnte, stand sie in wenig Tagen wieder auf gesunden Beinen. Also 
hat der Doctor die kranke Frau geheilt und der Kaiser die arme. 
20. Wohlthätigkeit. 
§. 1. „Die armen, unglücklichen Menschen!" sprach Alwine zu Frau 
Hold, ihrer Mutter. „Du solltest sie sehen! Vierzehn Meilen weit sind sie 
vor dem Feinde geflohen. Er soll sengen, brennen und plündern, wohin er 
kommt." 
§. 2. „Ach, meine Tochter," versetzte Frau Hold, „der Krieg ist eines 
der größten Uebel, das die Menschheit drückt. Du hast Recht, daß du die 
armen Geflüchteten bedauerst; Theilnahme an dem Unglücke Anderer geziemt 
einem guten, frommen Herzen." 
§. 3. „Liede Mutter," sprach Alwine, „ich habe wenig Geld: aber das 
wenige will ich den Unglücklichen geben; du erlaubst es doch, daß ich auch 
altes Linnen zusammensuche und den Armen bringe? Ihre Kleider sind ganz 
zerrissen." 
§. 4. „Das thue, meine Tochter!" erwiderte die Mutter; „solchen 
Hülfsbedürstigen, die unsern Beistand so sehr nöthig haben, müssen wir mit¬ 
theilen, was wir entbehren können. Ich will selbst alte Wasche zusammen¬ 
suchen und sie ihnen schicken." 
§. 5. Alwine hatte darüber eine große Freude. Die Mutter brachte ein 
ziemliches Bündel von alten Kleidern zusaminen und ging nun mit der Toch¬ 
ter zu den Geflüchteten. Wie sehr wurden diese durch die Gaben erfreut, die 
man ihnen reichte! „Wir sehen sie als unsern rettenden Engel an," sprachen 
sie zu Alwinen und ihrer Mutter. „Gott vergelte es ihnen tausendfältig!" 
§. 6. Die Armen erzählten nun, wie traurig es in der Gegend aussähe, 
aus der sie kämen. „Alles ist aufgezehrt," sprachen sie, „und ein paar Kar¬ 
toffeln werden mit mehreren Kreuzern bezahlt. Das Pfund Pferdefleisch 
kostet dreißig Kreuzer und ist nur mit Mühe zu bekommen. Wohin der Soldat 
kommt, da will er zu essen haben. Kann man ihm Nichts geben, so wird er 
wild, schlägt um sich, und viele Unschuldigen sind dabei schon um's Leben ge¬ 
kommen. Die Offiziere sind menschlicher, aber nicht im Stande, dem Unge¬ 
stüme des gemeinen Mannes zu wehren. Manche Dörfer und Flecken sind von 
dem Feinde angezündet und in Aschenhaufen verwandelt worden." 
§. 7. So erzählten die Geflüchteten weiter fort. Als Frau Hold mit 
Alwinen nach Hause zurückkehrte, sagte diese: „Es freut mich sehr, daß ich 
den Unglücklichen doch Etwas habe mittheilen können." 
§. 8. „Diese Freude macht deinem guten Herzen Ehre," versetzte die
	        
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