Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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Zufluffe der Juden aus allen Ländern von über 1,000,000 Menschen 
bewohnt war. 70 Jahre n. CH. Geb. wurde Jerusalem von den 
Römern zerstört und 48 Jahre hienach von dem römischen Kaiser 
Hadrian wieder ausgebaut. Eine vom Sultan Solimán 1534 
erbaute Mauer umgiebt das jetzige Jerusalem mit seinen engen Straßen 
und seinen unregelmäßig gebauten Häusern. Die Kirche des h. Grabes 
besteht eigentlich aus drei, aber durch ein Dach mit einander ver¬ 
bundenen Kirchen. — Die Stadt hat jetzt nur gegen 20,000 Einw. 
unter denen 5,000 Christen und ungefähr 8,000 Juden sich befinden. 
In ganz Palästina leben jetzt Juden, Araber, Griechen, 
Türken, Franken (so nennt man alle in der Türkei sich aushal- 
tenve Europäer), durcheinander. Der Handel ist nichts weniger, als 
lebhaft; es fehlt an Landstraßen, regelmäßigen Posten, an Verpflegung 
der Reisenden, selbst an Brücken. Kunst und Wissenschaft wird bei¬ 
nahe gar nicht gepflegt. Die Handwerke treibt man noch wie in den 
ältesten Zeiten. Ueberall ist an die Stelle des frühern regern Lebens 
Öde und Erstarrung getreten. Prachtvolle Trümmer erinnern an die 
versunkene Herrlichkeit der Vorzeit. 
29. Das nördliche Eismeer. 
Groß sind die Gefahren der Korallenriffe im stillen Ocean, 
aber sie können sich nicht messen mit den Schrecknissen des Polar- 
meeres, und dennoch reizt dieses heilige Meer, wie es an einer 
Stelle nördlich von Asien heißt, immer von neuem wieder, seinen 
eisigen Schleier zu lüften, der noch so viele Geheimnisse birgt. 
Mancher Name eines kühnen Seefahrers steht schon an seinen Küsten 
eingegraben, und zeugt von den Versuchen, die man anstellte, die 
nördliche Seite von Asien und Amerika zu umschiffen. Selbst 
bis dahin, wo die Sonne Monate lang verschwindet, das flüssige 
Quecksilber zu hammerhartein Stein wird, wo die Schneelerche 
und die Schneegans nicht mehr ausdauern können, die weißen 
Füchse und die grimmigen Eisbären sich schleichend zurückgezogen 
haben, und die schaurige Todtenstille nur durch das donnernde Zer¬ 
bersten des Eises unterbrochen wird, — selbst bis dahin sind kühne 
Schiffer vorgedrungen, aber den gewünschten Zweck haben sie nicht 
erreicht. Dort ist das Land des Todes, die ganze Natur ist zu einer 
Leiche erstarrt. Kein winterlicher Baum mit verglas'ten Ästen und 
Zweigen schlummert hier, aus ein frohes Wiedererwachen harrend; kein 
liederreicher Sänger, der in den Gezweigen nistet, läßt sich hören; 
kein Winterschläfer hat sich in den erstarrten Boden eingegraben. Ein 
endloses Gefilde, bedeckt mit Schnee und Eis, so blendend weiß, daß 
das Auge einen längeren Anblick nicht vertragen kann, eine eisige Luft, - 
mit feinem Schneestaub untermischt, der einen brennenden Durst ver¬ 
ursacht, ein kieselharter Schnee, der erst gekocht werden muß, wenn 
man den Durst damit löschen will, — das sind die Gaben des
	        
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