fullscreen: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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als der Knieende den Dahingestreckten aussuchte, und alles, was er 
fand, zu sich steckte. Jetzt nahm er ihn aus die Schulter und wollte 
ihn an den Strom, der ferner rauschte, hinabtragen, um ihn dort zu 
versenken. Plötzlich blieb er stehen, keuchend unter der todten Last. 
Der Mond war herausgetreten und warf sein sanftes Licht durch die 
Stäinme, und es war, als ob auf den Strahlen des Mondes die 
Töne eines herzzerreißenden Liedes getragen würden. Ganz nahe blies 
ein Posthorn die Weise des Liedes: „Denkst du daran!" Dem Tra¬ 
genden war's, wie wenn die Leiche aus feinent Rücken lebendig würde 
und ihn erwürge. Schnell warf er die Last ab und sprang davon, 
immer weiter und weiter. Endlich, am Strome blieb er stehen und 
lauschte hin; alles war still, und nur die Wellen stossen schnell dahin, 
als eilten sie fort von dem Mörder. Dieser ärgerte sich jetzt, daß er 
die Spuren seiner That nicht vertilgt habe und sich von sonderbarer 
Furcht forttreiben ließ. Er eilte nun zurück, wandelte hin und her, 
bergauf und bergab, der Schweiß rann ihm von der Stirn; es war 
lhm, als ob er Blei in allen Gliedern hatte. Mancher Nachtvogel 
stog auf, wenn er so durchs Dickicht drang, aber nirgends fand er 
das Gesuchte. Er hielt an, um sich zurecht zu finden, um sich die 
Gegend genauer zu vergegenwärtigen; aber kaum war er drei Schritte 
gegangen, so war er in der Irre. Alles stimmerte vor seinen Augen, 
und es war ihm, wie wenn die Bäume auf und niederwandelten und 
ihm den Weg verstellten. Der Morgen brach endlich an; die Vögel 
schwangen sich auf und sangen ihre Hellen Lieder, vom Thale und 
aus den Bergen hörte man Peitschen knallen. — Der Mörder machte 
sich eiligst davon. 
Die Leiche wurde gefunden und nach dem Dorfe gebracht, in des¬ 
sen Gemarkung sie lag. An der rechten Schläfe trug der entseelte 
Körper Spuren eines Schlages, wie von einem scharfen Steine. Kein 
Wanderbuch, kein Kennzeichen war zu finden, aus dem man die Her¬ 
kunft des Entseelten entnehmen konnte. Auf dem Kirchhofe, der neben 
der Kirche hoch oben auf dem Hügel liegt, an dessen Fuß die Land¬ 
straße, in Felsen gehauen, sich vorüberzieht, sollte nun des andern 
Tages der todte Fremde begraben werden. Eine unzählige Menge 
Menschen folgte dem Zuge. Sie waren aus allen benachbarten Dör¬ 
fern gekommen, jeder wollte seine Unschuld, seine Trauer und seine 
Theilnahme bekunden. Still, ohne laute Klage, nur mit tiefem Weh 
im Herzen, bewegte sich der Zug den Berg hinan. Der Geistliche 
hielt eine ergreifende Rede. Zuerst redete er den Entseelten an und 
spracht 
„Auf dem Wege bist du gefallen. Wer weiß, wohin dein Herz 
sich sehnte, welches Herz dir entgegenschlug. Möge der, der alles 
kennt und alles heilt, Ruhe und Frieden in die Seelen der Deinigen 
senden. Unbekannt bist du gefallen von unbekannter Hand. Niemand 
weiß, woher du kamst, wohin du gingst; aber er, der deinen Eingang
	        
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