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hat über 30,000 Einwohner und treibt ziemlich bedeutenden Handel.
Kiel hat zwar eine sehr günstige Lage an der Ostsee, genießt auch
den Vortheil, eine Universität zu besitzen7 ist aber gleichwohl nur
halb so groß als Altona.
Auch in dem jenseit der Eider gelegenen Schleswigs welches zwar
unter dänischer Regierung mit Holstein verbunden sein soll, aber nicht
zu Deutschland gehört, ist die deutsche Sprache noch verbreiteter, als
die dänische, und die Deutschen wehren sich hartnäckig gegen die Ver¬
suche, ihnen ihre Sitten und Sprache zu rauben und das Dänen -
thum an deren Stelle zu setzen.
32. Überschwemmungen der Halligen.
Zur Gewohnheit sind den Bewohnern der Halligen (der kleinem
Eilande an der Westküste des Herzogthums Schleswig) die Überschwem¬
mungen geworden, die, alles flache Land überwogend, an der Werste
hinaufsteigen und an die Mauern und Fenster der Hütten mit ihrem
weißen Schaum anschlagen. Da blicken denn diese Wohnungen aus
der weiten umrollenden Wassersülle nur noch als Strohdächer hervor,
von denen man nicht glaubt, daß sie menschliche Wesen bergen, daß
Greise, Männer, Frauen und Kinder unterdessen völlig ruhig um ihren
Theetisch hersitzen und kaum einen flüchtigen Blick aus den umdrängen¬
den Ocean werfen. Manch fremdes, aus seiner Bahn verschlagenes
Schiff segelte schon in solchen Zeiten bei nächtlicher Weile über eine
Hallig weg, und die erstaunten Seeleute glaubten sich von Zauberei
umgeben, wenn sie auf einmal neben sich ein freundliches Kerzenlicht
durch die hellen Fenster einer Stube schimmern sahen, die, halb von
den Wellen bedeckt, keinen andern Grund als die Welle zu haben
schien. Aber es bricht der Sturm zugleich mit der Fluth auf das
bange Eiland ein. Die Wasser steigen gegen zwanzig Fuß über ihren
gewöhnlichen Stand hinauf. Die Wogen dehnen sich zu Berg und
Thal, und das Meer sendet in immer neuen, langen Zügen seine volle,
breite Gewalt gegen die einzelnen Werften, um sie aus seiner Bahn
wegzuschieben. Der Erdhügel, der nur eine Zeit lang zitternd wider¬
stand, giebt nach, bei den unausgesetzten Angriffen bricht ein Stück
nach dem andern ab und schießt hinunter. Die Pfosten des Hauses,
welche die Vorsicht eben so tief in die Werste hineinsenkte, als sie
darüber hervorstehen, werden dadurch entblößt; das Meer faßt sie,
rüttelt sie. Der erschreckte Bewohner des Hauses rettet erst seine besten
Schafe hinauf auf den Boden; dann flieht er selbst nach; und hohe
Zeit war es; denn schon stürzen die Mauern, und nur noch einzelne
Ständer halten den schwankenden Dachboden, die letzte Zuflucht. Mit
furchtbarem Siegesüberinuth schalten die Wogen in dem untern Theile
des Hauses; sie werfen Schränke, Kisten, Betten, Wiegen mit wildem
Spieff durch einander, schlagen sich immer freiern Durchgang, um alles
hinauszureißen auf den weiten Tummelplatz ihrer unbändigen Kraft,