Full text: Vollständiges Lehr- und Lesebuch für die oberen Klassen katholischer Volksschulen

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riecht man einen eckelhaften, süßlichen Geruch, der besonders im 
warmen Zimmer leicht Kopfweh und Uebelkeit verursacht. Der Ge¬ 
schmack der Blätter ist unangenehm süßlich, hintennach aber auf eine 
eigene Art scharf und den Hals zusammenziehend. Wenn man sie auf 
die Haut legt, können sie schon gefährliche Entzündungen verursachen. 
Fürchterlich aber wirkt der Samen und alle andern Theile der Pstanze 
im Innern des Menschen. Er wird zuerst davon wie betrunken, die 
Augen glänzen ihm, bald wird ihm schwindlich, er kann sich nicht 
mebr besinnen, hört und sieht nicht recht; das Schwarze im Auge ist 
sehr erweitert oder umgekehrt sehr zusammengezogen. Ein solcher 
Vergifteter stammelt und kann mit der Sprache nicht recht fort, kann 
nicht schlucken, weil ihm der Hals zusammengeschnürt ist, hat Trocken¬ 
heit im Munde und brennenden Durst, Erbrechen und Bangigkeit. 
Oft wird er ganz sinnlos, toll und wüthend, oder umgekehrt, dumm, 
unempfindlich und stumm. Bald aber werden seine Augen starr und 
verdreht, er bekommt Zittern, Krämpfe, Kälte in den Gliedern, kalten 
Schweiß, Schaum vor dem Munde; zuletzt wird er ganz bewußtlos 
und unempfindlich gegen Alles, was mit ihm vorgeht, und liegt mit 
weit offenen, unbeweglichen Augen regungslos da oder schläft mit 
Schnarchen ein und lange Zeit fort. Manchmal erscheinen auch 
schwarze Flecken auf der Haut, nicht selten tritt ziemlich bald Lähmung 
ein und der Tod erfolgt in Kurzem, oft ganz plötzlich. Nur dann, 
wenn nur sehr wenig von der Giftpstanzc genossen wurde, gehen diese 
Zufälle nach einiger Zeit wieder vorüber. Vergiftungen durch den 
Stechapfel sind schon sehr häufig vorgekommen. Oesters haben die 
Kinder schon die Samenkörner gegessen, 3. B. ein 1HJähriger Knabe, 
welcher dann an allen Gliedern steif wurde und in einen tiefen Schlaf 
verfiel, zu röcheln anfing und einen blutigen Schaum ausstieß, zuletzt 
ganz dunkelbraun im Gesicht wurde und schon nach sechs Stunden 
starb. Ein Anderer von drei Jahren hatte nur wenige Körner ver¬ 
schluckt, wurde aber doch blind und ohnmächtig und bekam Krämpfe, 
wurde wie toll und wüthend und konnte nur mit Mühe gerettet wer¬ 
den, blieb aber noch lange Zeit blaß. Oesters haben auch Erwachsene 
diese Körner für die weit kleineren, rundlichen und platten Körner des 
Schwarzkümmels gehalten und damit Thee gemacht oder Milch ge¬ 
kocht. Sie haben allemal entsetzlich leiden, in vielen Fällen gar 
sterben müssen. Eine ganze Familie in der Gegend von Aachen wurde 
wahnsinnig, weil sie die Blätter unter dem Gemüse gegessen hatte. 
Ein junger Mensch redete irre und verfiel in ein Fieber, weil man 
sein Trinkglas mit Srcchapfelblättern auögerieben hatte. Auch Pferde 
und Hunde sterben von dem Genusse dieses fürchterlichen Krautes; 
Schafe fressen es gar nicht, Schweine werden davon betäubt. 
7. Die Herbstzeitlose. 
Wenn alle Blumen verwelkt sind, blüht auf den abgemähten Wiesen 
die blaßrothe Herbstzeitlose, die von diesem späten Blühen ihren Namen 
hat. Sie reist auch ihren Samen nicht, wie die andern Blüthen, nach
	        
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