Full text: Vollständiges Lehr- und Lesebuch für die oberen Klassen katholischer Volksschulen

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allein alle ihre Mühe war vergeblich. Die Ceylonesen schlugen sie 
todt, machten ihr Fleisch zurecht und verzehrten es mit grossem 
Appetit.“ 
> 18. Der Storch. 
Drei Dinge von den Störchen sind mehr oder minder wunder¬ 
bar: ihre Kriege, ihre Gerichte, ihre menschliche Art. 
Alle Störche einer großen, weiten Gegend, z. B. des Rhein¬ 
thales im Canton St. Gallen, und die über dem Rhein oder in dem 
gegenüber liegenden Liechtenstein und Vorarlberg, erheben sich etwa 
einmal gegen einander zu einem blutigen Kriege, der sich nur mit 
dem Tode oder mit dem Abzug der einen oder andern aus der 
Gegend endigt. Eine Partie muß das Feld räumen. Wahrschein¬ 
lich entsteht der Krieg wegen der Nahrung, die sie einander ver¬ 
kümmern. Dann wird die ganze Gegend unruhig und Alles ge- 
räth in Aufruhr. Sie halten auf beiden Seiten des Rheins auf 
Feldern großen Rath. Es muß ein Aufgebot ergangen sein. Sie 
plaudern viel mit einander und verstehen einander. Einige reden 
besonders viel. Es sind die Alten. Die Jungen schweigen. Der 
Krieg wird beschlossen. Die Vorarlberger und Liechtensteiner in 
größerer Zahl erheben sich, fahren über den. Rhein durch die Lust 
einher und wollen die diesseitigen angreifen. Diese haben den An¬ 
griff erwartet, erheben sich nun auch und fliegen ihnen entgegen. 
Der Kampf wird in hoher Luft geführt. Die Waffe ist der Schna¬ 
bel. Sie stechen fürchterlich auf einander los. Blutig und erstochen 
ergreifen die Schweizer die Flucht. Die Vorarlberger sind vollkom¬ 
men Sieger und zerstören die Nester der Geflohenen. Allmälig 
kehren sie jedoch wieder zurück. Später entsteht wieder Krieg, 
worin der Schweizer siegt. 
Es ist auch wahrgenommen worden, daß die Störche bisweilen 
vor ihrer Abreise gen Süden eine große Versammlung halten, einen 
Kreis bilden, einer in der Mitte steht, viel geplappert und raiso- 
nirt wird, und endlich alle auf den in der Mitte losstürzen und 
ihn durchbohren. Man will vermuthen, daß sie sich über einen 
Schwächling berathen, und diesen, weil er die weite Reise nicht 
mitmachen könne, zu seinem eigenen Besten, und um unterwegs 
nicht mit ihm geplagt zu sein, todten. 
Das dritte Auffallende ist ihre menschliche Weise. Z. B. ge- 
räth ein Haus, auf dem sie wohnen, in Brand, so holen sie im 
Schnabel Wasser herbei, um zu löschen. In Seestädten ziehen sie 
gerade so wie Menschen zwischen den Leuten auf der Straße herum, 
stolziren hin und her und fordern von jedem, der ihnen in den Weg 
tritt, das Ausweichen. In der Gefangenschaft befreunden sie sich 
leicht mit Kindern und spielen selbst wie Kinder mit ihnen, so 
daß sie den laufenden mit ausgebreiteten Flügeln nachlaufen und 
irgend eines mit dem Schnabel am Rock, am Aermel packen, sich 
sogleich umwenden, auf und davon laufen, nachschauen, ob auch
	        
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