Full text: Vollständiges Lehr- und Lesebuch für die oberen Klassen katholischer Volksschulen

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vollendet. Der Leichnam des heiligen Bonifacius wurde anfangs 
nach Utrecht, dann auf Bitten des Erzbischofs Lullus nach Mainz 
gebracht. Da es aber der Wille des Verstorbenen war, zu Fulda 
begraben zu werden, und der Abt Sturm deßwegen nach Mainz kam, 
um an diesen Willen des Verstorbenen zu erinnern, so wurde der 
Leichnam unter der Begleitung unermeßlicher Schaaren von Trauern¬ 
den nach Fulda gebracht und mit der größten Feierlichkeit da bei¬ 
gesetzt, wo jetzt der Haupteingang der Domkirche ist. Hepp. 
13. Kavl der Große. 
Karl hatte ein ehrfurchtgebietendes A e u ß e r e. Er war sieben 
Fuß groß und dabei so stark, daß sein kaiserlicher Ornat einen 
Mann unserer Tage zu Boden drücken würde. Auf seiner Stirne, 
dem Abbilde seiner hohen und erhabenen Gedanken, thronte Maje¬ 
stät. Sein Angesicht war heiter; er hatte große und lebhafte Augen 
und einen durchbohrenden Blick, wenn er zornig war. Sein Gang 
war fest, seine durchaus männliche Haltung verkündete den Helden, 
den mächtigen Weltbeherrscher. 
Obschon Karl bei feierlichen Gelegenheiten, besonders beim 
Empfang der Fürsten und Gesandten barbarischer Nationen, mit 
einer beinahe morgenländischen Pracht sich umgab, so liebte er doch 
für sich die Einfachheit. Seine Kleidung war die vaterländische, 
wie der gemeine Franke trug er Wams und Hose von Leinen, dar¬ 
über einen Rock mit seidener Borte eingefaßt. Des Winters deckte 
ein Wams von Otterfellen Brust und Schultern. Stets war er 
mit einem Schwerte umgürtet, dessen Griff und Wehrgehenk von 
Gold war und das ein solches Gewicht hatte, daß ein Mann unserer 
Tage es nur mit Mühe heben könnte. Bei festlichen Gelegenheiten 
ging er mit einem golddurchwirkten Rocke, in Schuhen mit Edel¬ 
steinen besetzt, in einem Mantel, den eine goldene Spange zusammen¬ 
hielt, und mit einem Diadem von Gold und Edelsteinen geschmückt 
einher. — Die eitlen Kleider seiner Umgebung waren dem einfachen 
Manne zuwider. Eines Tages lud er seine Hofleute zur Jagd ein 
und befahl ihnen, im besten Schmucke zu erscheinen. Es war aber 
ein kalter Tag und regnete, heftig, daß es den Eitlen trübselig er¬ 
ging. Als man nach Hause kam, sprach Karl scherzhaft: „Bis 
zum Schlafengehen darf keiner seinen Pelz ausziehen, damit sie 
besser auf dem Leibe trocknen." Beim Schlafengehen brachen die 
gedorrten und zusammengeschrumpften Kleider wie dürres Reis. 
Am anderen Morgen mußten sie in denselben Kleidern erscheinen. 
Karl ließ nun seinen Schafpelz ausreiben und hinbringen; der hatte 
seinen alten Glanz wieder. „Ihr Narren," sprach er, „wo gibt's 
wohl ein köstlicheres Pelzwerk und das kostet mich kaum einen Gul¬ 
den, eure dagegen viele Pfund Silbers." 
Wie Karl einfach war in der Kleidung, so war er auch mäßig 
in Speise und Trank. Die Trunkenheit verabscheute er höchlich.
	        
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