geworden. Was auch gelehrt werden möge — Leide Zwecke alles Unterrichts,
Entwickelung und Übung der Geisteskräfte und Aneignung für's Leben nützlicher
Kenntnisse und Fertigkeiten, beides: der formale und der reale Zweck deS
Unterrichts müssen Hand in Hand gehen — sollen vor allem in dem vorliegenden
Lehr- und Lesebuche Hand in Hand gehen. —
Anlangend den Sprachunterricht, so bieten sich bei der Beschäftigung
der Schüler mit den sie umgebenden Gegenständen auf die ungesuchteste Weise
außer den Dingvorstellungen eine Menge Zahl-, Eigcnschafts-, Thä-
tigkeits-, Orts-, Zeit- und Art- und Weisevorstellungen dar. An
diesen Vorstellungen sollen ihnen die Elemente der Sprache anschaulich
gemacht werden. An den Dingvorstellungcn sollen sie das Hauptwort, an
den Zahlvorstellungen das Zahlwort, an den Eigenschaftsvorstellungen das
Eigenschaftswort, an den Thätigkeitsvorstellungen das Thätigkeitswort
u. s. w. erkennen lernen. Es ist eine bekannte Sache, daß die bildliche Be¬
deutung eines Wortes immer in der wirklichen Bedeutung wurzelt, und daß
die meisten der geistigen, abstrakten Begriffe ihre Grundbedeutung aus der
Sinnen- (Körper-) Welt erhalten haben. Daraus folgt, daß der Schüler
nur in so weit befähigt ist, die uneigcntliche, bildliche Bedeutung eines
Wortes aufzufassen, als er die eigentliche, wirkliche Bedeutung desselben
bereits aufgefaßt hat, und daß er abstrakte Begriffe nur in dem Grade ver¬
stehen lernt, in welchem er dieselben auf ihre, der Sinnenwelt entnommene
Grundbedeutung zurückzuführen vermag. Beides aber seht mehr oder minder
Bekanntschaft mit der Wortbildung voraus. Darum soll den Schülern bei
den einzelnen Gegenständen ein Blick in die Etymologie der Sprache eröffnet
werden. Hier wird ihnen z. B. bei der Beschreibung einer Pflanze gezeigt, daß
ein Blatt, welches in der Gestalt Ähnlichkeit mit schmalen Bändern hat, band¬
förmig — und daß es, wenn haarähnliche Auswüchse sich auf demselben befinden,
behaart ist; daß das Blatt, wenn cs glatt ist, Glätte besitzt, und daß cs,
wenn eS glänzt, Glanz hat u. s. w. So schauen sie an und lernen in der
Sprache einsehen, daß man aus Dingwörtern Eigenschaftswörter, und
aus Eigenschafts- und Thätigkeitswörtern Dingwörter bilden kann.
Das Nöthige über die Bildung dieser Wörter durch Zusammensetzung,
durch Umlautung, durch Vor- und Nachsilben oder durch Abkürzung
kommt hier überall »»gesucht zur Sprache. Ein wesentlicher Gewinn wird dabei
zugleich für die Rechtschreibung erzielt. — So wird nach und nach unter
den Nummern I., II. und III. ein großer Reichthum an Begriffen gewonnen.
Die Begriffe prägen sich den Schülern ein, und sic lernen einsehen, daß zwar die
Dinge, Merkmale und Thätigkeiten der Dinge außer ihnen — die Begriffe von
den Dingen, Merkmalen und Thätigkeiten aber in ihnen sind. Die gewonnenen
Begriffe von den Dingen, Eigenschaften und Thätigkeiten sollen sic aber auch zu
Urtheilen mit einander in Verbindung bringen. Sie lernen darum ferner
von den Dingen urtheilen: was sie sind und was sic nicht sind, wie sie
sind und wie sie nicht sind, was sic thun und w s sie nicht thun — wo,
wann, wie und wem sie etwas thun. So sollen sie außer dem Wortvcrftändniß
auch in das Sprachverständniß eingeführt werden—kurz: sie sollen die Sprache
indem für diese Stufe möglichen Umfang verstehen, sprechen und schreiben
lernen. — Was nun den Umfang des zur Erreichung dieses Sprach-Zwcckcs
gebotenen Sprachstoffes betrifft, so sind die „Denkübungen, I. Theil
von dem praktischen Lehrgänge für den gesammten deutschen
Sprachunterricht von L. Kellner" mit dem Realunterricht nach Möglichkeit
in Verbindung gebracht. Die Anordnung des Lehr- und Lesebuchs hat einige
Abweichungen von der Aufeinanderfolge des in den re. „Denkübungen"
enthaltenen Sprachübungsstoffes nöthig gemacht — auch ist der Übungsstofs an
manchen Stellen bedeutend vermehrt worden. — Hinsichtlich der Werthcilung
dieses Sprachübungsstoffes auf die elf Abschnitte des re. Buches schien eS nöthig,
dasselbe so anzuordnen und anzudeuten, daß einerseits dem Lehrer die Übersicht
über das Ganze erleichtert und andererseits durch Zusammenstellung des Gleich-