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entfernte Gegenstände überall auf dieselbe Weise sichtbar, und verschwin¬
den sie auf gleiche Weise für uns: so muß die Oberfläche der Erde über¬
all gekrümmt sein. Sind aber die einzelnen Stücke derselben, welche man
übersieht, nach allen Seiten hin gleichmäßig gekrümmt: so muß die ganze
Erde die Gestalt einer Kugel haben. Man erkennt demnach die Kugelge¬
stalt der Erde aus der Art und Weise, wie entfernte Gegenstände auf ihr
allmälig sichtbar werden und wieder verschwinden. Wäre dagegen die
Erde eine ebene Fläche: so müßten uns alle Gegenstände auf derselben
ganz (wenn auch anfangs klein und undeutlich) erscheinen und ebenso auf
einmal wieder verschwinden. — 2) ein anderer Beweis für die Kugelge¬
stalt der Erde liegt in einer andern Wahrnehmung. Die Erde tritt näm¬
lich zur Zeit des Vollmondes bisweilen so zwischen Sonne und Mond,
daß sie ihren Schatten auf den letzteren wirst. Dadurch entsteht eineMond-
finsterniß. Dieser Schalten nun hat, so oft er beobachtet worden ist, stets
eine runde Gestalt gehabt. Da aber von allen Körpern nur die Kugel in
jeder Richtung, in welcher sie gegen das Licht steht, einen runden Schatten
wirft: so muß auch die Erde wie eine Kugel gestaltet sein. — 3) Seit
1519 (unter Magelhaens) hat man die Erde viele Male umschifft und
zwar so, daß man immer in einer Richtung fortsegelte und endlich am
Orte der Abfahrt wieder ankam. Auch dies ist nur möglich, wenn die Erde
die Gestalt einer Kugel hat. Denn hätte sie die Gestalt einer Scheibe: so
würde man sie zwar ebenfalls im Kreisläufe umschiffen können; aber man
würde doch in jedem Augenblicke der Fahrt seine Richtung verändern müssen.
—• Nur in so fern weicht jedoch die Erde von der vollkommenen Kugelge¬
stalt ab, als sie an ihren Drehpunkten etwas eingedrückt oder abgeplattet
ist. Sie wird deshalb nicht ganz unpassend mit einer Pomeranze oder ei¬
nem Apfel verglichen, welche an der Blüthe und am Stiele eingedrückt, in
der Mitte aber erhaben sind.
Hier könnte man den Einwurf machen: Wie kann man die Erde für
rund halten, da es auf ihr so viele und große Erhöhungen und Vertiefun¬
gen gibt? Allein bedenke, daß selbst die höchsten Berge der Erde der run¬
den Gestalt der Erde keinen Eintrag thun können; denn dieselben machen
in ihrem Verhältnisse zur ganzen Erde noch weniger aus, als ein Sand¬
korn auf einer Kegelkugel. Daher kann die Erde, wenn ihre Gestalt treu
nachgebildet werden soll, nur als eine vollkommene Kugel dargestellt wer¬
den. — Aber müssen nicht, wenn die Erde ganz rund ist, die auf ihr be¬
findlichen Dinge von ihr herabfallen, und kann sie dann überall bewohnt
sein? Erinnere dich hierbei an das, was dir in der Naturlehre von der
Schwerkraft der Erde erzählt worden ist. Vermöge derselben werden alle
auf ihr befindlichen Dinge auf ihr festgehalten, und keines kommt in Ge¬
fahr, in den unendlichen Weltraum hinausgeschleudert zu werden. Eben
deshalb stehen diejenigen, welche sich auf dem uns gerade entgegengesetzten
Punkte der Erde befinden, unsere Gegenfüßler, eben so sicher auf den Füßen,
wie wir. Auch sie haben über ihrem Kopfe den Himmel und unter ihren