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keine ragt hoch über den Wasserspiegel hervor. Stockholm ist sehr
weitläufig gebaut. Die Straßen dagegen find sehr eng; man muß oft
in die Hauser springen, um dem Fuhrwerk auszuweichen. Einige kann
man im Winter gar nicht passiren, weil sie zu steil und glatt siud.
Das Pflaster ist außerordentlich schlecht. Jeder Hauseigenthümer hat
den Theil der Straße vor seinem Hause zu unterhalten. Auf dem
Gustav-Adolph-Markt steht eine aus Erz gegossene Reitersäule des
großen Königs. Der besuchteste Erholungsort der Stockholmer ist der
' Thiergarten, welcher den Prater in Wien weit an Umfang übertrifft.
Neben Alleen und Wiesen sieht man hier auch Felsen und Berge, auf
denen die schönsten Landhäuser stehen. Heerden von Rehen und Damm¬
hirschen durchstreifen den Wald. Jeden Sonntag Nachmittag sieht man
die Bewohner Stockholms zu Fuß, zu Pferd und zu Wagen in großen
Schaaren hier ankommen.
E h r i st i a n i a,
Norwegens Hauptstadt, ist eine Seestadt, neu und daher sehr regel¬
mäßig gebaut. Die 28 Straßen, jede 20 Ellen breit, durchschneiden
sich tu rechten Winkeln und sind zu beiden Seiten mit erhöhten Fu߬
wegen versehen. Wo die Straßen sich durchkreuzen, stehen große, vier¬
eckige Brunnen. Die Stadt zeichnet sich durch Reichthum und Bil¬
dung aus und treibt ausgebreiteten Handel, besonders mit Holz nach
England. Man bemerkt m der Nähe der Stadt viele Sägemühlen, in
denen die Stämme zu Brettern gesägt werden.
Die Weihnachten sind in Christiania ein großes Freudenfest.
Ueberall ist Jubel und Tanz. Man beschenkt einander, wie bei uns,
aber auch die Armen werden nicht vergessen. Selbst der hungrigen
Vögel wird gedacht. Jeder steckt vor seinem Scheuerthor eine Garbe
Korn an einer Stange aus, damit auch die Thierchen ihr Theil be¬
kommen zu einer Jahreszeit, wo Feld und Straßen tief mit Schnee
bedeckt sind.
III.
Die Wunder der Polarwelt.
Welche Mittel bot die Natur auf, um den grausesten Gegenden
der Erde einige Bewohnbarkeit abzugewinnen? Durch welche Einrich¬
tungen gelang es ihr, selbst dort dem Menschen sein Dasein zu fristen
und sein Leben zu erleichtern, wo die Erde dem Samenkorn verschlossen
bleibt, wo dem Hirten keine Weiden mehr grünen, und wo kaum noch
ein eßbares Wild dem Jäger sich darbietet?
Zwei große Lufterscheinungen mögen bei der Aufzählung dieser
Mittel den Anfang machen. Das erste davon ist die Strahlen¬
brechung, wodurch das Tageslicht bei dem Verschwinden und bei dem
Herauftreteu der Sonne um mehrere Wochen verlängert wird.
Das zweite finden wir in jenem majestätischen Schauspiele, dem
Nordlichte. Es schafft gleichsam die Nacht zum Tage um. Bei
ftmem Schimmer kann der Mensch seiner Handthierung, seiner Nah¬
rung nachgehen; er kann jagen und sich gegen das furchtbarste Thier,
den Polarbär, schützen. '