Full text: Deutsches Lesebuch für Mittelschulen

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IV. Naturbilder. 
dehnung der Steinkohlenfelder und ihr 
Vorkommen in den verschiedensten Ge¬ 
genden unserer Erde nicht bezweifeln, daß 
zur Zeit der Steinkohlenbildung bereits 
sehr viel Festland auf Erden gewesen 
ist, da nur dieses, nie aber das Meer, 
Steinkohlen erzeugen kann. Doch liegt 
auch auf der Hand, daß die Bildung 
der Steinkohlenlager große Zeiträume 
einnahm, und daß diese Bildung nicht 
eine gewaltsame war, sondern eine Pe¬ 
176. Der 
Der Bernstein, dieses in vielfacher 
Beziehung so höchst interessante Produkt 
untergegangener Wälder, die nm: in der 
Erde oder unter dem Meeresgrunde schlum¬ 
mern, wird entweder bei günstigen Win¬ 
den von den Wellen der Ostsee zuweilen 
an die Küsten von Pommern, Mecklen¬ 
burg, Dänemark, Schweden u. s. w. ge¬ 
trieben, oder auch an vielen, selbst von 
dem Meere sehr entfernten Orten jener 
Provinzen mehr oder weniger tief aus 
der Erde gegraben. 
Aus der See wird der größte Theil 
Bernstein in kleinen zerschlagenen Brocken 
gewonnen; in der Erde findet man ihn 
dagegen meistens in größeren knollen¬ 
förmigen Stücken. Bei heftigen Aequi- 
noetialstürmen, die das Meer mehrere 
Tage hinter einander bis zum Grunde 
aufwühlen, wird die größte Menge Bern¬ 
stein auf den Strand getrieben. Das 
Graben nach Bernstein geschieht keines¬ 
wegs kunstmäßig oder bergmännisch, son¬ 
dern wird von Bauersleuten ohne alle 
wissenschaftlichen Kenntnisse unternommen, 
wobei sie auf gut Glück 5—6 Meter 
tief eingraben; mißlingt der Versuch, so 
wird das Graben tiefer versucht, oder 
an einer andern Stelle wiederholt. In 
manchen Fällen ist dieses Graben eine 
der undankbarsten Arbeiten, doch lohnt 
in andern der Zufall seine Günstlinge 
auch auf reichliche Weise. 
Man gräbt den Bernstein in allen 
Schichten des jüngeren aufgeschwemmten 
Bodens sowohl auf Bergesrücken, als in 
Niederungen und Wiesen und findet ihn 
oft nur ein paar Fuß tief unter der 
riode ruhiger Entwickelung umfassen muß. 
Die Menge der Steinkohlen ist außer¬ 
ordentlich, und es sind nicht nur in Eu¬ 
ropa, sondern sogar in Deutschland solche 
große Massen, theils von wirklichen 
Steinkohlen, theils von anderen ähn¬ 
lichen Schwarzkohlen in den Kohlenbecken 
aufgespeichert, daß eine gänzliche Er¬ 
schöpfung selbst bei einer bedeutend ge¬ 
steigerten Produktion von Kohlen, in eine 
sehr weite Ferne gerückt ist. 
Bernstein. 
Bodenfläche, oft erst in Tiefen von 70 
und 140 Fuß. Einzelne, häufig auch 
mehrere Stücke zog man zufällig in 
Fischernetzen nicht bloß aus dem Meere, 
sondern auch aus Binnenseen, Flüssen, 
Teichen und tiefen Brunnen hervor. Der 
Boden, wo reichliche Ausbeute zu hoffen 
ist, erstreckt sich über Pommern, Ost- 
und Westpreußen nach Litthauen und 
Polen. Man fand auch Bernstein in 
einer Steinkohlengrube bei Ischl und auf 
Sicilien; auf dieser Insel aber wie in 
England auffallender Weise nur an der 
östlichen Küste. Auch an den Ufern des 
kaspischen Meeres, in Sibirien, Kamt¬ 
schatka und China, in Nordamerika und 
selbst in Madagaskar hat man einzelne 
Stücke und auch Lagen entdeckt. 
Nun liegt die Frage nahe: Was ist 
der Bernstein und wie ist er entstanden? 
Es herrscht jetzt kein Zweifel mehr, daß 
er wie andere vegetabilische Harze von 
einem Baume ausgeschwitzt wurde, der 
schon längst von der Erde verschwunden 
ist, einst aber mit dichten Waldungen 
die Inseln jenes großen Oceans bedeckte, 
der damals noch die weite nordeuropäische 
Ebene bis zum Fuße des Ural über- 
fluthete. Wo heutigen Tages Seegrnnd 
ist, da waren noch vor vielen tausend 
Jahren undurchdringliche, mit Fichten 
und Tannen besetzte Forste, und wo da¬ 
mals Schiffe vor Anker lagen, sieht man 
jetzt aufgethürmte Sandberge stehen. Bei 
dem ungeheuren Harzreichthum des Bern¬ 
steinbaumes und den vielen Jahrtausen¬ 
den, während deren er bestanden haben 
mag, ist es nicht zu verwundern, daß
	        
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