30. Der beherzte Flötenspieler.
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in Besitz nehmen wollen, hätten aber
nicht das geringste Geld gefunden. Man
behaupte daher, er müsse den Schatz
vergraben haben und dieser möge heute
noch in dem alten Schloß verborgen
liegen. Schon viele Menschen wären
des Schatzes wegen in die alte Burg
gegangen, aber keiner wäre wieder zum
Vorschein gekommen. Daher habe die
Obrigkeit den Eintritt in dies alte Schloß
untersagt und alle Menschen im ganzen
Lande ernstlich davor gewarnt. — Der
Musikant hatte aufmerksam zugehört und
als der Pachter seinen Bencht geendigt
hatte, äußerte er, daß er großes Ver¬
langen habe, auch einmal hinein zu
gehen, denn er sei beherzt und kenne
keine Furcht. Der Pachter bat ihn aufs
Dringendste und endlich schier fußfällig,
doch ja sein junges Leben zu schonen
und nicht in das Schloß zu gehen. Aber
es half kein Bitten und Flehen, der
Musikant war unerschütterlich.
Zwei Knechte des Pachters mußten
ein Paar Laternen anzünden und den
beherzten Musikanten bis an das alte,
schaurige Schloß begleiten. Dann schickte
er sie mit einer Laterne wieder zurück,
er aber nahm die zweite in die Hand
und stieg muthig eine hohe Treppe hinan.
Als er diese erstiegen hatte, kam er in
einen großen Saal, um den ringsherum
Thüren waren.
Er öffnete die erste und ging hinein,
setzte sich an einen darin befindlichen
altväterlichen Tisch, stellte sein Licht
darauf und spielte die Flöte. Der Pachter
aber konnte die ganze Nacht vor lauter
Sorgen nicht schlafen und sah öfters
zum Fenster hinaus. Er freute sich je¬
desmal unaussprechlich, wenn er drüben
den Gast noch musiciren hörte. Doch
als seine Wanduhr elf schlug und das
Flötenspiel verstummte, erschrak er heftig
und glaubte nun nicht anders, als der
Geist oder der Teufel, oder wer sonst
in diesem Schlosse haus'te habe dem
schönen Burschen nun ganz gewiß den
Hals umgedreht. Doch der Musikant
hatte ohne Furcht sein Flötenspiel abge¬
wartet und gepflegt; als aber sich endlich
Hunger bei ihm regte, weil er nicht viel
bei chem Pachter gegessen hatte, so ging
er in dem Zimmer auf und nieder und
sah sich um. Da erblickte er einen Topf
voll ungekochter Linsen stehen, auf einem
andern Tische stand ein Gefäß voll
Waffer, eines voll Salz und eine Flasche
Wein. Er goß geschwind Wasser über
die Linsen, that Salz daran, machte
Feuer in dem Ofen an, weil auch schon
Holz dabei lag, und kochte sich eine
Linsensuppe. Während die Linsen koch¬
ten, trank er die Flasche Wein leer und
dann spielte er wieder Flöte. Als die
Linsen gekocht waren, rückte er sie vom
Feuer, schüttete sie in die auf dem Tische
schon bereit stehende Schüssel und aß
frisch darauf los. Jetzt sah er nach
seiner Uhr und es war um die elfte
Stunde. Da ging plötzlich die Thüre
auf, zwei lange schwarze Männer traten
herein und trugen auf der Schulter eine
Todtenbahre, auf der ein Sarg stand.
Diesen stellten sie, ohne ein Wort zu
sagen, vor den Musikanten, der sich
keineswegs im Esten stören ließ, und
gingen ebenso lautlos, wie sie gekommen
waren, wieder zur Thüre hinaus. Als
sie sich nun entfernt hatten, stand der
Musikant hastig auf und öffnete den
Sarg. Ein altes Männchen, klein und
verhutzelt, mit grauen Haaren und grauem
Barte lag darinnen; aber der Bursche
fürchtete sich nicht, nahm es heraus, setzte
es an den Ofen, und kaum schien es
erwärmt zu sein, als sich schon Leben
in ihm regte. Er gab ihm hierauf Lin¬
sen zu essen und war ganz mit dem
Männchen beschäftigt, ja fütterte es wie
eine Mutter ihr Kind. Da wurde das
Männchen ganz lebhaft und sprach zu
ihm: „Folge mir!" Das Männchen ging
voraus, der Bursche aber nahm seine
l Laterne und folgte ihm ohne Zagen. Es
! führte ihn nun eine hohe halbverfallene
! Treppe hinab, und sie gelangten endlich
beide in ein tiefes schauerliches Gewölbe.
Hier lag ein großer Haufen Geld.
Da gebot das Männchen dem Burschen:
„Diesen Haufen theile mir in zwei ganz
gleiche Theile, aber daß nichts übrig
bleibt, sonst bringe ich dich um's Leben!"
Der Bursche lächelte blos, fing sogleich
an zu zählen auf zwei große Tische her¬
über und hinüber und brachte so das
Geld in zwei gleiche Theile, doch zuletzt
— war noch ein Kreuzer übrig. Der