Full text: Deutsches Lesebuch für Mittelschulen

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II. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde. 
scheu, seines eigenen ^Geschlechtes Stamm¬ 
schloß zerstören ließ. Der Platz sollte ver¬ 
öden und auf demselben nur noch ein ein¬ 
sames Bethaus stehen; so war Ludwigs 
Wille. Die Steine der bis auf den Grund 
geschleiften Burg wurden zum Aufbau der 
Stadtmauern von Aichach verwendet. Wald 
umzog die verlassene Stätte, Moos über¬ 
spann die wenigen spärlichen Trümmer, 
und nur die alterthümliche Kirche stand 
als ernster, trauernder Wächter auf der 
verödeten Höhe. Endlich erstanden auf dem 
Rücken der Anhöhe die Hütten einiger An¬ 
siedler; mehr noch zog die freundliche und 
fruchtbare Niederung südöstlich der Anhöhe 
Bewohner heran und so entstand das Dörf¬ 
chen Ob er wittelsbach, so genannt zum 
Unterschiede von dem tiefer an der Land¬ 
straße von Aichach nach Schrobenhausen ge¬ 
legenen Unterwittelsbach. 
Wehmuth ergriff deu Wandrer, wenn 
er die waldbewachsene Anhöhe betrat, wo 
rings um ihn tiefe Stille herrschte und 
kein Merkzeichen Erinnerungen an vergan¬ 
gene Größe wach rufen konnte. Nur im 
Munde des Landvolks lebten die Sagen 
der frühern Zeiten fort. Da beschloß man, 
auf Anregung des Fürsten Ludwig von 
Dettingen-Wallerstein ein Denkmal an der 
41. A 
Gerne weilt man bei deinem Bilde, du 
altes, ehrwürdiges Augsburg, du Stätte 
des redlichen Fleißes, du Wohnsitz biederer, 
altdeutscher Sitte! 
Stattlich — nicht eben schön und ma¬ 
lerisch ■—- nimmt sich das große Augsburg 
auf seiner weiten, vom Lech durchströmten 
Thalebene von ferne aus. Mit der Fern¬ 
sicht Erfurts, Nürnbergs Würzburgs, Prags, 
Salzburgs und anderer deutscher Städte 
kann's freilich die seine nicht messen. Der 
Landschaft fehlt ein Hauptschmuck, die 
Höhen nämlich mit den Mauerkronen, die, 
wie z. B. die Kaiserburg bei Nürnberg, 
herrlich über die Giebel hereinschauen; doch 
wenn man der schönen, kräftigen Gestalt 
der alten Stadt näher tritt, denkt man 
nicht mehr an den Mangel. Wer noch 
keine altdeutsche Stadt gesehen hat, dem 
thut sich in Augsburg eine Welt auf voll 
Neuheit. Unregelmäßigkeit ist hier alles; 
keine Straße ist ganz gerade. Bald stehen 
die Häuser vor, bald zurück; bald ist dort 
ein weit überhängender Grebel, bald da ein 
weit hervorstehender Erker; die Fenster sind 
bald klein, bald groß; bald nahe zusammen, 
bald weit auseinander gerückt; bunter An¬ 
Stelle der ehemaligen Wittelsbacherburg zu 
errichten. Den Plan zu demselben hat der 
Erbauer der gothischen Kirche in der Vor¬ 
stadt Au, Daniel Ohlmüller, gefertigt. Im 
Jahre 1832 wurde der Grundstein gelegt 
und jetzt ist das im gothischen Style vor¬ 
trefflich ausgeführte Denkmal eine Zierde 
der Höhe. Dessen vordere Seite trägt die 
Inschrift: 
Seinem tausendjährigen Regentenstamme 
das treue Bayern. 
Errichtet im ersten Regierungsjahre 
König Ludwig des Ersten. 
Die alte Burgkirche ward restaurirt und 
erhielt neuen Schmuck und reichliche Zierde. 
In der Nähe des Monuments wurde ein 
geräumiges Haus für die Schule und zur 
Wohnung eines Geistlichen erbaut, so daß 
nun dieser vorher so düstere Platz ein recht 
freundliches, den Besucher wohlthuend an- 
muthendes Ansehen gewonnen hat. Von 
der ehemaligen Burg zeugt nur noch ein 
Stück Mauer in der Sakristei der Kirche, 
Ueberrest des alten Gemäuers, auf welches 
der Bau gesetzt worden; auch zeigt man 
die Eingangsspuren eines längstverfallenen 
unterirdischen Ganges, welcher, wie die 
Sage lautet, nach Unterwittelsbach geführt 
haben soll. 
strich färbt häufig die Häuser, und manche 
zeigen alte Freskomalerei von Meisterhand. 
Einige Häuser mit platten Dächern tragen 
Statnen auf dem Gesims; andere haben 
Thürmchen oder Thurmspitzen oder altmo¬ 
dische Wetterfahnen auf den hohen Gie¬ 
beln; wunderliches Schnitzwerk windet sich 
häufig um Thüren und Fensterbekleidungen 
und an den Eckhäusern fehlen auch die 
Holzbilder nicht. Häufig sieht man Wappen 
über den Thoren, hie und da wohl auch 
eine Nische für den Schutzpatron des Hau¬ 
ses. Schöne, mit Kaiser- und Heiligen- 
Bildsäulen verzierte steinerne Brunnen stehen 
auf Straßen, auf Märkten, auf den Höhen 
alter Paläste. Jedes, auch das gemeine 
Bürgerhaus ist in der Regel stattlich, und 
läßt der Bewohner Tüchtigkeit, Wohlha¬ 
benheit, Fleiß und Ordnungssinn schon von 
außen erkennen. Die schönste Partie dieser 
anziehenden Stadt und dasjenige Gebäude, 
in welchem sich Augsburgs vergangene 
große Zeit am deutlichsten wiedererkennen 
läßt, ist das Rathhaus, zu dessen äuße¬ 
rer und innerer Verzierung alle Künste 
des 16. und 17. Jahrhunderts ihr Bestes 
steuerten. Im sogenannten goldenen Prunk-
	        
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