Full text: Deutsches Lesebuch (Theil 2)

126 
rnlt ihren besten Rüstungen angethan, vollständig bewaffnet, 
mit geschloßcnem Visier, die stattlichen Pferde gleichfalls mit 
schönen Decken, bunten Federbüfchcn und glanzendem Ge¬ 
schirr geschmückt, unter dem Schall der Trompeten, in die 
Schranken, und umkreisten einigemal die Rennbahn, worauf 
sie wieder hinaus ritten. Dann wurden von einem Herolde 
Zwei Ritter aufgerufen mit einander zu kämpfen. Dieß 
geschah auf mancherlei Weise, vorzüglich suchten sie mit 
stumpfen Lanzen so hart gegen einander 311 rennen, daß 
einer oder beide aus dem Sattel gehoben, lind in den Sand 
gestreckt wurden. War das geschehen, so folgte ein anderes 
Paar Ritter, und so fort, bis alle mit einander gekämpft 
hatten, und das Turnier beendigt war. Die welche nun die meisten 
der andern Ritter aus dem Sattel gehoben, und dabei ent¬ 
weder gar nicht oder nur wenige Mal vom Pferde gekommen 
waren, diese wurden, nach dem Ausspruche der Kampfrichter, 
für die Sieger erklärt, und erhielten einen Dank aus den 
Handen der vornehmsten, anwesenden Damen. Dieser Dank 
bestand oft in einzelnen schönen Waffcnstücken, oder in einer 
goldenen Kette, einer schön gestickten Schärpe u. s, w. Manch¬ 
mal focht man and) mit Kolben und Schwertern. 
Daß es bei einer so gefährlichen Waffenübung nicht an 
Verwundungen fehlte, laßt sich wohl denken; oft geriethen 
zwei Kampfende in der Hitze des Streites so hart an einan¬ 
der, daß die Grieswärtel Mühe hatten, sie zu trennen; manch¬ 
mal wurde aus dem Scherze Ernst; man griff zu scharfen 
Waffen, und dann endete ein solches Turnier mit der Nie¬ 
derlage der einen Parthei. 
Diese Turniere unterhielten die Lust zum Kriege, sie 
reizten den männlichen Muth der Jünglinge, und fachten das 
Ehrgefühl an. Ein Ritter, der oft auf den Turnieren einen 
Dank erhielt, wurde mit großem Lobe ausgezeichnet, und 
wohin er kam, mit großer Achtung empfangen. Der Feig¬ 
ling ward aber überall verachtet; und da unter andern auch 
nur einem Ritter von untadelhaftem Rufe die Schranken des 
Turnierplatzes geöffnet wurden, das Nichtzulassen wegen 
schlechter Thaten für den größten Schimpf gehalten ward, 
so hatte dieß die gute Folge, daß sich ein Ritter bemühte 
überall ehrenwerth zu handeln. Wie cs aber unter jeder 
Verbindttng, wie rühmlich und ehrwürdig sie auch sein mag, 
unwürdige Mitglieder giebt, so gab es deren auch unter den 
Rittern. Einzelne mißbrauchten ihre Waffen, um Wehrloie
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.