Full text: Kleine Weltgeschichte oder Geschichten aus der Geschichte

§. 58. Die Türken vor Wien. 1683. 87 
daß die Schotten ihren Willen erlangt hatten, wurden immer küh¬ 
ner, empörten sich endlich, und führten ebenfalls gegen ihren König 
und seine noch getreuen Leute Krieg. In diesem Kriege zeichnete 
sich ein Mann besonders aus, gewann über die Soldaten des Königs 
einen Vortheil nach dem andern, suchte dabei das Volk zu immer 
schlimmem Schritten zu reizen, und wurde unvermerkt die Seele der 
ganzen Empörung. Dieser Mann war Oliver Cromwell. Er 
überredete Viele: Es müßte kein König mehr sein, und Keiner müßte 
über Andere zu befehlen haben, dann komme das Reich Gottes. Hat 
er das wohl selber geglaubt? Das ist möglich, denn wer sein böses, 
stolzes Herz nicht ernstlich verleugnet, 'wird dadurch so verblendet, daß 
er endlich an Lügen glaubt und Gott zu dienen meint, wahrend er 
Böses thut. Da nun Cromwell große Macht und viele Anhänger 
hatte, so kam es endlich dahin, daß König Karl, der indessen seinen 
Feinden in die Hände gefallen war, wie ein Verbrecher verurtheilt, 
und 1649 öffentlich enthauptet wurde. Cromwell saß während der 
Hinrichtung, auf ein seidenes Polster gestützt, im Fenster, und sähe 
zu, wie der König sein vor Kummer gebleichtes Haupt ruhig auf den 
Block legte, und gottergeben endete, so wie ihm auch in der Zeit sei¬ 
ner Trübsal der Blick auf Gott Stärke und Geduld gegeben hatte. 
Cromwell war jetzt der mächtigste Mann im ganzen Lande, 
nannte sich Protektor oder Beschützer des Reiches, und war so 
geehrt, daß selbst die Fürsten der europäischen Länder ihn „Herr 
Bruder" nannten, und nach seiner Freundschaft trachteten. Auch 
that er manches, was dem Lande sehr nützlich war. England ward 
durch ihn immer mächtiger. Aber in seinem Herzen nagte ein Wurm. 
Fast jeden, den er sah, fürchtete er als einen, der ihn tödten wellte. 
Darum trug er auch fast beständig ein eisernes Hemd unter seiner 
Kleidung; schlief jede Nacht in einem besondern Bette, und Niemand 
wußte vorher, in welchem; und hatte in seinen Zimmern verborgene 
Thüren, um schnell entfliehen zu können. Aber seinem quälenden Ge¬ 
wissen konnte er nicht entfliehen. Das marterte ihn ab, daß er krank 
ward, und — starb (1685). Der Unglückselige! Er Hütte die Ehre 
vor Menschen mehr gesucht, als die Ehre bei Gott. Was hat es 
ihm nun genützt? 
§. 58. Die Türken vor Wien. 1683. 
Es ist schon früher einige Male die Rede von den Türken 
gewesen und von ihren Raubzügen in Europa hinein. Einen beson¬ 
ders schlimmen machten sie im Jahre 1683. Außer den vielen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.