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in die vielen Tempel und Kirchen und Kapellen, und sollen
da miteinander anbeten den dreieinigen Gott, den Vater, den
Sohn und den heiligen Geist. Und die Orgel braust in ge¬
waltigen Tönen, der Gesang strömt mächtig empor durch die
Mauern hindurch, und zahllose Menschen erheben ihre Herzen
zum Herrn und hören sein kostbares Wort; st'e knieen nieder
und falten die Hände vor ihrem Heilande, der auf den Altären
unter den Gestalten des Brodes und Weines gegenwärtig ist,
und sich aufs Neue seinem himmlischen Vater für die Sünden
der Welt zum Opfer darbringt. Sie danken, bereuen, bitten,
versprechen und beten an, und der Name des Herrn wird ge¬
heiligt, wie im Himmel also auch auf Erden.
93. Surstim corda!
Heb' den Blick vom Erdentande,
Von dem öden Schattenlande,
Von dem Kerker voller Bande,
Von dem Kirchhof voller Leichen,
Wo die Blumen blüh'n und blei¬
chen.
Wo die Menschen Blumen gleichen.
Heb' den Blick zu Himmelshöhen,
Wo nicht Sonnen untergehen.
Wo nicht Ketten sind zu sehen.
Wo nicht Nordens Stürme wehen.
Wo nicht Gräberhügel stehen;
Heb' den Blick zu Himmelshöhen!
Schüttle von der Hand die Erde,
Daß sie nicht besudelt werde,
Erdengift sie nicht gefährde;
Laß sie nicht in Fesseln binden.
Müh' dich nicht, um Staub zu
finden,
Spiel und Raub von leisen
Winden.
Körnchen Gold im Meer von
Sande
Findest du im Erdenlande;
Blumen blüh'n an Wasiers Rande;
Bei dem Geier sitzt die Taube,
Ros' und Dorn am selben Laube,
Bei dem Schlehdorn wächst die
Traube.
Himmelan kehr' deine Hände,
Wie zum Licht die Sonnenwende,
Dorther kommt des Höchsten
Spende;
Hände, die zum Himmel langen.
Wo die Bäum' voll Früchte hangen.
Finden, was sie heiß verlangen.
Wie die Flamm' der Opferkerzen
Steigen himmelan die Herzen!
Oben ruhen ihre Schmerzen,
Wo sie nicht mehr bange schlagen.
Wo sie nicht mehr Wunden tragen.
Wo nicht Würmer sie benagen.
Oben nur die Bäche guillen.
Die den Durst der Sehnsucht
stillen.
Die des Herzens Leere füllen.
In dem Hafen ruht beschirmet
Unser Schiff, hier stets bestürmet.
Wo sich Well' auf Welle thür-
met.
Aufwärts muß die Seele schwe¬
ben.
Nicht am Staube darf sie kleben.
Wo ihr Schatz ist, muß sie leben.
Aufwärts muß die Seele schauen,
Ihre Zelte muß sie bauen
In den ewig grünen Auen.